© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/23 / 10. November 2023

Umwelt
Marder töten E-Autos
Ludger Bisping

Steinmarder unter der Motorhaube verursachen durch Kabelfraß alljährlich gewaltige Schäden: Bei 209.000 Fällen mußten die Versicherer 2021 insgesamt 92 Millionen Euro aufwenden. So weit, so bekannt. Bei Elektroautos und Hybriden wird das Problem allerdings richtig kompliziert – und besonders teuer. Knabbert ein pelziger Räuber deren Hauptkabelstrang an, sendet die Isolationsüberwachung des Hochvolt-Systems eine Warnmeldung. Doch dann ist es mit einer einfachen Reparatur nicht getan. Aus Sicherheitsgründen darf ein Hochvolt-Kabelbaum nicht geflickt werden, sondern ist komplett zu ersetzen. Dieses Hauptkabel zieht sich meist über den gesamten Unterboden zu den Achsen und ist aufwendig isoliert. Daher ist der Preis für das Neuteil entsprechend hoch, es werden schnell mehrere tausend Euro fällig.

Von Ultraschallgeräten über Hundehaare bis zu Duftsprays hat bisher kein Abwehrtrick überzeugt.

Hinzu kommt die umständliche Montage, denn für den Kabelaustausch müssen erst andere Komponenten aus- und dann wieder eingebaut werden. Anschließend sind umfangreiche Prüfungen und Einstellungen nötig, bis das E-Mobil wieder auf die Straße darf. So kommen auf der Rechnung schnell mittlere vierstellige Summen zusammen. Das ist zehnmal so teuer wie die Reparatur an einem herkömmlichen Wagen mit Verbrennermotor. Die Versicherer sehen sich durch die wachsende Autoelektrifizierung mit steigenden Schadenssummen konfrontiert. Diese werden sie an die Versicherungsnehmer durch höhere Prämien weitergeben müssen. Daher machen die Versicherungen Druck auf die Hersteller, die Kabel stärker zu isolieren. Hauptkabelbäume von E-Autos sind jedoch schon besonders geschützt. Metallrohre statt Kunststoffisolierungen wären eine technische Lösung, aber keine Preisalternative. So werden die Marder vorerst weiter knabbern. Übrigens sind Männchen und Weibchen gleichermaßen kabelverrückt. Die vermuteten Gründe für dieses Verhalten (Reviersicherung? Spieltrieb?) sind ebenso fragwürdig wie die zahllosen Hausmittel zur Vergrämung. Von Ultraschallgeräten über Hundehaare bis zu Duftsprays hat bisher kein Abwehrtrick überzeugt.