© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/23 / 10. November 2023

Die Sieger richten das Rasiermesser
Das Todesurteil gegen Japans General Tojo Hideki von 1948
Thomas Schäfer

Das International Military Tribunal for the Far East (IMTFE) in Tokio zur Aburteilung der politischen und militärischen Führer des Kaiserreiches Großjapan durch die Siegermächte gehörte zu den aufwendigsten Gerichtsverfahren der Weltgeschichte: Der Prozeß, bei dem Richter aus elf Ländern über die Schuld von 28 Angeklagten zu befinden hatten, dauerte vom 3. Mai 1946 bis zum 12. November 1948. Dann wurden sieben Japaner zum Tod durch den Strang verurteilt, und 16 weitere erhielten lebenslange Haftstrafen. Zu denen, die am 23. Dezember 1948 am Galgen des Sugamo-Gefängnisses endeten, gehörte auch Tōjō Hideki, der als Hauptkriegsverbrecher Nummer eins in Asien galt, woraus insgesamt 55 Anklagepunkte resultierten, darunter Planung und Durchführung von Angriffskriegen, Anordnung oder Autorisierung der unmenschlichen Behandlung von Kriegsgefangenen sowie Vernachlässigung der Pflicht, angemessene Schritte zur Prävention von Greueltaten einzuleiten. Und tatsächlich war Tōjō zeitweise der mächtigste Mann in Japan gewesen und daher natürlich maßgeblich mitverantwortlich für den Tod von bis zu 14 Millionen Menschen.

Der 1884 geborene Sohn eines Samurai hatte seit 1899 in der Kaiserlich-Japanischen Armee gedient, zuletzt im Range eines Drei-Sterne-Generals. Er fungierte unter anderem als Leiter der Militärpolizei und später auch Generalstabschef der in der Mandschurei stationierten Kwantung-Armee, stellvertretender Heeresminister sowie Generalinspekteur der Heeresfliegertruppe und avancierte schließlich am 22. Juli 1940 zum Heeresminister. Dem folgte am 17. Oktober 1941 die Ernennung zum Premierminister. In dieser Eigenschaft befürwortete das „Rasiermesser“ – so der Spitzname Tōjōs seit Mitte der 1930er Jahre – den Angriff auf Pearl Harbor und die europäischen Kolonien in Südostasien.

Bis zum 18. Juli 1944 stand Tōjō an der Spitze einer Militärdiktatur, wobei er zusätzlich noch als Heeresminister, Innenminister, Außenminister, Kultusminister, Minister für Industrie und Handel sowie als Generalstabschef des Heeres amtierte. Dann zwang man ihn, wegen der zunehmenden militärischen Mißerfolge Japans, von all seinen Ämtern zurücktreten. Nach Kriegsende geriet Tōjō auf die Fahndungsliste der Alliierten und unternahm am 8. September 1945 einen Selbstmordversuch. Allerdings schoß er dabei knapp am Herz vorbei und überlebte.

Während des Prozesses verwies Tōjō auf die allem übergeordnete Autorität des Kaisers, der von den Siegermächten nicht angeklagt worden war, übernahm aber ansonsten die volle Verantwortung für die japanische Politik von 1941 bis 1944. Aus diesem Grunde blieb der Tennō Hirohito weiterhin unangetastet und konnte noch bis zu seinem Tode im Jahre 1989 weiterregieren.