© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/23 / 10. November 2023

Den Südosten sichern
Der Sieg der Deutschen gegen die Italiener und Briten in der Ägäis im November 1943 bewies, daß mit der Schlagkraft der Wehrmacht noch gerechnet werden mußte
Dag Krienen

Nach dem Austritt Italiens aus dem Krieg am 8. September 1943 stand die Wehrmacht nicht nur im italienischen Mutterland vor dem Problem, den vormaligen Achsen-Partner zu entwaffnen und seine militärischen Funktionen zu übernehmen. In Südfrankreich gelang dies kampflos; von Sardinien und Korsika zogen sich die Deutschen indes sukzessive auf das italienische Festland zurück. In den italienisch besetzten Gebieten Südosteuropas (Dalmatien, Bosnien, Montenegro, Albanien, Teilen Griechenlands) kam es sogar zu größeren Gefechten. Hier gingen viele Italiener mit ihren Waffen zu den Partisanen über. Einen besonderen Fall bildete der Dodekanes, der seit 1912 eine Kolonie Italiens war. Auf diese Inselgruppe in der Ägäis hatte Churchill, der eine alliierte Landung auf dem Balkan anstrebte, ein Auge geworfen. Eine britische Etablierung dort hätte die Vorherrschaft Deutschlands auf dem Balkan, die Loyalität seiner ihm verbliebenen Bundesgenossen als auch die Neutralität der benachbarten Türkei, samt des Imports wichtiger Rohstoffe wie Chrom von dort, bedroht.

Für eine seit Januar 1943 geplante alliierte Operation gegen den Dodekanes und Kreta konnten die Alliierten nach den Invasionen in Sizilien und Süditalien indes nicht genügend Kräfte bereitstellen. Die italienische Kapitulation im September wollte Churchill dennoch dazu nutzen, um zumindest den Dodekanes zu besetzen. Allerdings kamen ihm die Deutschen auf der Hauptinsel Rhodos zuvor. Schon vor dem 8. September war dort eine „Verstärkung“ von 7.500 deutschen Soldaten angelandet worden, die nach Ausrufen des „Fall Achse“ sofort gegen die Garnison von 40.000 Italienern vorgingen. Diese kapitulierten bereits am 11. September. Dennoch setzten die Briten auf eine Reihe von nördlich von Rhodos gelegenen Inseln wie Kos, Samos, und Leros zwischen dem 10. und 17. September eigene Truppen in Stärke von 5.000 bis 6.000 Mann an Land. 

Es ging auch um die Loyalität der Bundesgenossen auf dem Balkan

Für die Operation gegen die von Briten und Italienern gehaltenen Inseln kratzten die Deutschen 7.500 Soldaten aus verschiedenen Verbänden zusammen. An Seestreitkräften standen neben Landungsfahrzeugen (Marinefährprahme) und Frachtern nur kleine Räumboote und U-Bootjäger sowie vier erbeutete alte italienische Torpedoboote bereit. Der entscheidende Vorteil der Deutschen war – ein letztes Mal in diesem Krieg – ihre Luftherrschaft. Die Luftwaffe konnte in der Ägäis knapp 400 Flugzeuge konzentrieren, die die britischen und italienischen Flugplätze auf Kos und Leros durch massive Luftangriffe ausschalteten und auch mit großem Erfolg die alliierten Kriegs- und Versorgungsschiffe angriffen. Die Briten hingegen hatten ohne intakte Flugplätze im Dodekanes kaum Unterstützung aus der Luft. Kos wurde aufgrund seiner Flugplätze das erste Ziel der Deutschen. Ihnen gelang es am 3. Oktober, Bodentruppen auf der Insel zu landen und durch abgesetzte Fallschirmjäger zu verstärken. Schon am 4. Oktober kapitulierten Briten und Italiener. Gegen jedes Kriegsrecht wurden der gefangengenommene italienische Kommandeur und 103 seiner Offiziere als „Verräter“ hingerichtet. Nach der Eroberung von Kos ergab sich die italienische Garnison auf der Nachbarinsel Kalymnos fast kampflos.

Beide Inseln wurden zu Absprunghäfen für den Angriff auf Leros. Die Insel war noch vor dem Krieg von den Italienern stark befestigt und zu ihrem Hauptstützpunkt im Dodekanes ausgebaut worden. Im November 1943 waren dort 8.300 Italienern und 3.500 Briten stationiert. Kleine deutsche Landungsverbände bildeten am 12. November an mehreren Stellen Brückenköpfe und verstärken sie in den folgenden Tagen durch weitere Seetransporte und aus Luft abgesetzte Fallschirmjäger. Die Kämpfe waren überaus hart. Der Royal Navy gelang es nicht, die schwachen deutschen Seestreitkräfte zu stellen. Sie erlitt durch Luftangriffe schwere Verluste. Nachdem es aber den zahlenmäßig unterlegenen Deutschen gelungen war, die feindlichen Streitkräfte in zwei Gruppen zu trennen, kapitulierten der britische und kurz darauf auch der italienische Befehlshaber von Leros am Abend des 16. November. Nach dem Fall von Leros war die Lage der Briten auf den restlichen Inseln unhaltbar geworden. Ihnen gelang nur noch, mit Booten und Kleinfahrzeugen von dort knapp 1.000 Soldaten zu evakuieren. Nach der Kapitulation von 2.500 Italienern auf Samos am 22. November standen alle ägäischen Inseln unter deutscher Kontrolle.

Die Verlustbilanz der Kämpfe um die Inseln war recht einseitig: 1.184 deutschen Verlusten standen etwa 4.800 britische gegenüber. Hinzu kamen noch gut 5.300 tote und verwundete sowie 44.000 gefangene Italiener. Die Kriegsmarine mußte 15 Marinefährprahme abschreiben; Briten, Italiener und Griechen verzeichneten einen „verkrüppelten“ und drei beschädigte Kreuzer, sechs versenkte und vier beschädigte Zerstörer, drei versenkte und vier beschädigte U-Boote sowie zahlreiche kleinere Fahrzeuge als Verluste, meist als Opfer deutscher Luftangriffe. Alliierten U-Booten gelang allerdings die Versenkung einiger Transportschiffe, bei denen viele auf dem Rücktransport zum Festland befindliche italienische Gefangene ertranken.

Churchills Hoffnungen auf eine Invasion auf dem Balkan zerstört

Der Historiker Michael Salewski nannte den Dodekanes-Feldzug „ein Kabinettsstück triphibischer Kampfführung, das an die ‘besten’ Zeiten der deutschen Wehrmacht erinnerte“. Der eindeutige deutsche Sieg überzeugte die verbliebenen Verbündeten sowie wichtige Neutrale wie die Türkei und Spanien davon, daß mit der Schlagkraft der Wehrmacht noch gerechnet werden mußte und eine Verschlechterung der Beziehungen zum Reich gefährlich werden konnte. Für die Alliierten stellte der deutsche Sieg zwar nur eine Schlappe dar, zerstörte im Endeffekt aber fast alle Hoffnungen Churchills auf eine Invasion auf dem Balkan.

Als sich ein Jahr später die Wehrmacht aufgrund des Vormarsches der Roten Armee und des Seitenwechsels Rumäniens und Bulgariens überstürzt aus Griechenland zurückzog, war ihr die Evakuierung aller Soldaten von den Ägäis-Inseln nicht mehr möglich. Rund 23.000 Deutsche und 10.000 mit ihnen kämpfende Italiener blieben zurück. Sie hielten die Insel der Dodekanes inklusive Rhodos, Leros und Kos bis Mai 1945 als „Festung“ besetzt.

Die Briten „rächten“ sich später für ihre Schlappe in der Ägäis mit dem populären Kriegsfilm „Die Kanonen von Navarone“ (1961). Darin zerstört eine fiktive alliierte, taktisch überaus gewiefte Spezialeinheit fiktive schwere deutsche Kanonen mit ihrer tölpelhaften Besatzung auf der fiktiven Insel Navarone und ermöglicht so den Abzug von 1.200 fiktiven britischen Soldaten von der nicht fiktiven, aber unbesiedelten Kykladen-Insel Kheros. Gemäß dem Motto: Wo es an eigenen Siegen mangelte, muß man sie halt erfinden.