© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/23 / 10. November 2023

Zeitschriftenkritik: Krautzone
Vom Höhenflug einer Partei
Werner Olles

Die aktuelle Ausgabe (Nr. 35, Okt./Nov. 2023) der zweimonatlich erscheinenden Krautzone befaßt sich in ihrem Schwerpunktthema mit dem „Höhenflug der AfD“. Programmatisch könne man die Partei in vielen Bereichen gar nicht mehr stellen, da sie als einzige lösungsorientierte und ideologiefreie Ansätze biete: sichere Energieversorgung, konsequente Einwanderungspolitik statt unkontrollierter Zuwanderung, Familie statt Kita, Bildung statt Indoktrination, Schluß mit der Propagierung unsinniger LGBTIQ- und Gender-Projekte.

Daß sich die AfD personell und inhaltlich vom freien Markt entfernt habe, wie die Autoren behaupten, erschließt sich dem Rezensenten freilich nicht. Von der erfolgreichen Sozialen Marktwirtschaft hat sich vielmehr der neoliberal-globalistische Stakeholder-Kapitalismus entfernt, und die Aussage, ein Mindestlohn sei „offen sozialistisch“, ist recht weit hergeholt.

Alice Weidel plädiert im Interview für eine Absenkung des sogenannten Bürgergeldes, das in der Migrationspolitik falsche Anreize setze. Einen Widerspruch zwischen Libertären und Sozialpatrioten vermag sie nicht zu erkennen und weist auf die Normalität unterschiedlicher Lager in einer Partei hin, die um Themen ringe, die dann vom Parteitag entschieden würden. Sinnvoll wäre nach ihrer Meinung eine Verkleinerung des Bundestages um die Hälfte, eine Zusammenstreichung der Budgets und „die Überführung der unsäglichen Politikerpensionen in die allgemeine Pensionsversicherung“.

Fridericus Vesargo befaßt sich mit der Geschichte der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), die zeitweilig als wichtigste konservative Kraft der Weimarer Republik galt. Protestantisch geprägt, repräsentierte sie nach dem Ende des Ersten Weltkriegs vor allem Monarchisten, konservative Beamte, ostelbische Junker, Großbauern und Teile der Schwerindustrie. Nach der Weltwirtschaftskrise übernahm Alfred Hugenberg die Führung und brachte die Partei auf einen systemfeindlichen Kurs; in den letzten Jahren vor der Machtergreifung begann sie mit den Nationalsozialisten zu kooperieren, obwohl viele ihrer Mitglieder diese als zu „proletarisch“ empfanden und etliche Anhänger der DNVP beziehungsweise ihres Umkreises Kontakte zum konservativ-reaktionären Widerstand gegen das NS-Regime pflegten. Nach 1933 versank die Partei in der Bedeutungslosigkeit und löste sich im Juni 1933 schließlich auf. Die wenigen verbliebenen Abgeordneten schlossen sich der NSDAP an.

Weitere Beiträge in dem lesenswerten Magazin beschäftigen sich mit der Parteigründerin Sahra Wagenknecht (Maximilian Kneller) und mit der Konrad-Adenauer-Stiftung (Reinhild Boßdorf).

Kontakt: Blutdruck-Verlag, Oberstraße 3, 47829 Krefeld. Das Einzelheft kostet 6,90 Euro, ein Jahresabo 44,90 Euro.

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