© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/23 / 10. November 2023

Einfach die besten Unternehmen kaufen
Wirtschaftsliteratur: Max Otte erläutert seine „Königsstrategien“, um mit Aktien Geld zu verdienen / Warnung vor manisch-depressiven Märkten
Erich Weede

Max Otte war Professor in Boston, Worms und Graz, CDU-Mitglied und Chef der Werteunion. Vor allem ist er aber Leiter des Kölner Instituts für Vermögensentwicklung, Fondsmanager und Wirtschaftspublizist. Der 59jährige Ökonom hat jahrzehntelange Börsenerfahrung und will mit diesem Buch Privatanlegern helfen, mit Aktien ein Vermögen aufzubauen.

Gleich im Vorwort weist er auf die Vorzüge dieser Kapitalanlage hin: Aktien sind wesentlich pflegeleichter als Immobilien. In den vergangenen Jahrzehnten konnte man bei Investition in Indices bzw. diese abbildenden Fonds mit deutschen Aktien sieben Prozent, mit amerikanischen zehn Prozent pro Jahr erwirtschaften. Implizit ist damit schon klar geworden, daß rationale Anleger über das Heimatland hinaus blicken und investieren müssen. Die unterschiedliche Wertsteigerung von Unternehmen illustriert, daß es entscheidend auf die Auswahl von Unternehmen ankommt.

Mit Apple oder Microsoft konnte man seine Ersparnisse vervielfachen, mit der Deutschen Bank – je nach Zeitpunkt – leicht viel Geld verlieren. Nach Otte ist die Wahl der richtigen Unternehmen sowohl leichter als auch wichtiger als die Wahl eines günstigen Zeitpunkts für Aktienkäufe. Wenn man die richtigen Unternehmen ausgewählt hat, sollte man in der Regel diese im Depot belassen und nicht durch Käufe und Verkäufe sein Geld mit Gebühren verschwenden.

Sein Auswahlinstrument nennt Otte die Königsanalyse. Dabei bewertet er das Geschäftsmodell von Unternehmen mit bis zu 40 Punkten, das Management mit bis zu 30 Punkten, Bilanzqualität und Kapitalmanagement ebenfalls mit bis zu 30 Punkten. Theoretisch könnte ein Unternehmen 100 Punkte erreichen, aber selbst Alphabet (Google) erreicht nur 93, während die Deutsche Bank bei Otte nur 17 Punkte erreicht. Generell hält Otte 70 Punkte für eine gute Kaufvoraussetzung. Je weiter der Punktwert darunter liegt, desto mehr kommt es auf günstige Kaufkurse an, die unerfahrene Anleger fast immer verpassen.

Die Punktevergabe ist nicht immer leicht und kann sich eher selten an objektiven Zahlen orientieren. Beim Geschäftsmodell bevorzugt Otte die Bereitstellung von Gütern oder Dienstleistungen für den täglichen Bedarf, ein verständliches Geschäftsmodell, eine hohe Umsatzrendite, am besten über 25 Prozent, Wettbewerbsvorteile und starkes Branchenwachstum. Beim Management bevorzugt er vom Gründer oder wenigstens einer Familie geführte Unternehmen gegenüber der Führung durch ein Management, dessen Interessen durchaus und leider nicht selten von denen der Kapitaleigner abweichen können. Unqualifizierte und häufig wechselnde Manager sind Warnzeichen, ebenso auch allzu viel Medienpräsenz des Managements, zu viele Erneuerungsinitiativen, häufig notwendiges Krisenmanagement oder unklare Geschäftsberichte.

Eine Anleitung zur Selbständigkeit bei privaten Aktienkäufen

Bei der Bilanzqualität kommt es auf hohe Nettoliquidität an, auf hohes Eigenkapital, ideal über 75 Prozent, und eine Verschuldung, die deutlich unter dem doppelten Cashflow liegt. Die Dividenden sollten regelmäßig gezahlt werden und tendenziell steigen. Kapitalerhöhungen können schlecht sein und im schlimmsten Falle für Überbezahlung des Managements verwertet werden. Akquisitionen haben oft große Mengen Kapital vernichtet. Denken Sie an Daimler-Chrysler oder Bayer-Monsanto.

Offensichtlich setzt die Königsanalyse Kenntnisse voraus: Vom Internet, englischen Sprachkenntnissen bis hin zur Vertrautheit mit Bilanzen. Obwohl das Buch Übungsvorschläge macht und eine Vielzahl von Arbeitshinweisen gibt, würde es kaum verwundern, wenn auch nur jeder zehnte Leser ernsthaft versuchen sollte, sich in die Königsanalyse hineinzuarbeiten. Für wenige und arbeitsfreudige Leser kann das Buch eine Leiter zur Selbständigkeit bei Aktienkäufen sein. Bei vielen anderen Lesern wird es eher die Funktion einer Werbeschrift für Ottes Fonds haben. Mancher Leser wird sich auch darüber freuen, wenn in seinem eigenen Depot befindliche Aktien bei der Königsanalyse oder bei kurzen Bemerkungen im Buch gut abschneiden. Oder man wird auf Aktien hingewiesen, wie der Rezensent etwa auf Atoss-Software.

Otte hält die Aktienmärkte für manisch-depressiv, positive und negative Übertreibungen wechseln einander ab. Kurzfristig sind die Preise fast nie dicht beim Wert. Für Anfänger kann man Otte so zusammenfassen: Man nehme nur Qualitätsaktien (über 70 Königspunkte) oder passive (einen breiten Index abbildende) Fonds. Obwohl Otte einige Firmen davon ausnimmt, warnt er vor Pharmaunternehmen, weil die Komplexität von Forschung und Entwicklung in diesem Bereich die Verständlichkeit des Geschäftsmodells für den Anleger untergräbt. Otte warnt vor Herdenverhalten, etwa Kauf bei steigenden und Verkauf bei fallenden Kursen. Bei Index-ETFs besteht die Gefahr, daß man nicht von den ausgeschütteten Dividenden profitiert.

Das Buch ist unterhaltsam geschrieben. Es macht Spaß, es zu lesen. Otte weist mehrfach auf kostspielige eigene Fehler in der Vergangenheit hin. Damit bereitet er Anleger auf die Unvermeidbarkeit von Fehlern hin, wenn man sich an die Börse begibt. Man sollte es trotzdem tun. Ottes Buch kanndabei helfen, oft vernünftige Entscheidungen zu treffen.






Prof. Dr. Erich Weede lehrte Soziologie an den Universitäten Köln, Bologna und Bonn. 1998 gründete er die Friedrich-A.-von-Hayek-Gesellschaft mit.

Max Otte: Endlich mit Aktien Geld verdienen. Mit der Königsanalyse die besten Unternehmen finden. Finanzbuch Verlag, München 2023, gebunden, 316 Seiten, 25 Euro