Wer meinte, mit den erstaunlichen Gedächtnislücken des Bundeskanzlers hätten die Seltsamkeiten in Sachen Cum-Ex-Affäre ihren Höhepunkt erreicht, der wird dieser Tage eines Besseren belehrt. Denn nun machten zwei Laptops mit möglicherweise brisantem Inhalt Schlagzeilen, die je nach Lesart entweder verschwunden oder aber wieder aufgetaucht sind.
Seit rund drei Jahren prüft ein Untersuchungsausschuß der Hamburger Bürgerschaft, inwieweit führende lokale SPD-Politiker versucht haben, Einfluß auf die steuerliche Behandlung der Warburg Bank zu nehmen. Das Traditionsunternehmen soll Steuern in dreistelliger Millionenhöhe hinterzogen haben. Wobei der Verdacht im Raum steht, die Regierung der Hansestadt habe es mit dem Eintreiben der Steuerschuld nicht so genau genommen. Mittlerweile sollen die Forderungen beglichen worden sein. Insbesondere die drei Treffen der Bankmiteigentümer Christian Olearius und Max Warburg mit dem damaligen Ersten Bürgermeister und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz in den Jahren 2016 und 2017 stehen dabei im Fokus des Interesses. Der weist den Vorwurf einer Einmischung stets vehement zurück und beruft sich – sobald es um Details zu den Gesprächsinhalten geht – auf Erinnerungslücken.
Da freilich könnten die beiden portablen Computer möglicherweise Abhilfe schaffen. Auf ihnen sind mehr als 700.000 E-Mails gespeichert, die unter anderem von Scholz’ Büroleiterin, seinem Nachfolger im Amt des Bürgermeisters Peter Tschentscher sowie zahlreichen Spitzenbeamten stammen. Aufgrund ihrer Bedeutung seien sie zunächst in einem Tresor innerhalb eines speziell gesicherten Raums gelagert gewesen. Wie der Stern berichtete, seien die Geräte jedoch aus diesem Tresor entfernt worden. Wobei der zeitliche Ablauf erstaunlich ist.
So sollen unmittelbar nachdem die Mitglieder des Ausschusses darüber informiert wurden, daß sie nun Einsicht in die auf den Geräten gespeicherten E-Mails nehmen könnten, Bedenken aus der SPD gekommen sein: Da sich auch private Korrespondenz darunter befinde, die nicht Gegenstand der Untersuchung sei, könnte eine Einsichtnahme rechtswidrig sein, so die Behauptung. Daraufhin habe der von der SPD berufene Leiter des Arbeitsstabes Steffen Jänicke, die Laptops aus dem Tresor entfernt. Erst danach seien die zuständigen Obleute der Fraktionen unterrichtet worden, daß die Einsicht in die Inhalte der Rechner zunächst ausgesetzt werde; daß Jänicke auch die Geräte entfernen ließ, sei verschwiegen worden.
Die Opposition betrachtet das Ganze argwöhnisch: Will die SPD die Aufklärung hintertreiben, indem sie entweder verfängliche Mails löscht oder vorab den Kanzler über Brisantes warnt? Daß der Stabsleiter die Rechner versteckt habe, wies der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Mathias Petersen, als „völligen Blödsinn“ zurück. Wobei auch er der SPD angehört. Man habe alles lediglich sicher verwahrt. Petersen sprach von einem „Sturm im Wasserglas“. In Kürze will der Untersuchungsausschuß seinen ersten Zwischenbericht vorlegen.Fraglich, ob es an der Elbe dann windstill wird.