Frankreich gilt als die älteste Tochter der Kirche, und seine Monarchen durfte sich „allerchristlichster König“ nennen. Doch heute stecke die katholische Kirche dort in einer tiefen Krise, die die Journalistin und Frankreich-Korrespondentin Ulrike Koltermann mit nackten Zahlen illustriert. Insgesamt fühlt sich nicht einmal jeder zweite Franzose einer Religionsgemeinschaft zugehörig. Bei denen, die das noch tun, liegt der Katholizismus zwar mit 29 Prozent auf Platz eins, gefolgt vom Islam mit zehn Prozent. Dem gelinge es aber weitaus besser, seine Glaubensbotschaft der nächsten Generation zu vermitteln. So übernehmen 91 Prozent der muslimischen Kinder die Religion ihrer Eltern, bei den Katholiken sind es nur zwei Drittel. Der Islam habe auch keine Probleme, Imame zu rekrutieren, während die Zahl katholischer Priester von 29.000 (1995) auf 14.000 (2021) drastisch schrumpfte. Davon ist die Hälfte älter als 75 Jahre. Sie halten ihre Gottesdienste in zumeist leeren Kirchen ab, von denen bis 2030 etwa 5.000 vor Abriß oder Umnutzung stehen. Am meisten aber habe der Respekt vor der christlichen Tradition durch den ein „Erdbeben“ auslösenden „Mißbrauchsbericht“ von 2021 Schaden genommen. Der belegte, daß seit den 1950er Jahren 330.000 Kinder und Jugendliche von Priestern, Ordensleuten und Mitarbeitern katholischer Einrichtungen sexuell mißbraucht worden seien. Ob die 5.500 Erwachsenen, ein Drittel davon unter 25 Jahren, die sich in der vergangenen Osternacht taufen ließen, eine Chance andeuten, diese Krise mit einem spirituellen Neuanfang zu bewältigen, bleibe abzuwarten (Herder Korrespondenz, 10/2023).