© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/23 / 03. November 2023

Die Welt ist nicht genug
Deutsche Familienunternehmen: Rohde & Schwarz zählt zu den versteckten Technologie-Champions
Christian Schreiber

Stundenlanges Warten an der Sicherheitsschleuse eines Flughafens und langwierige Personenkontrollen sollen bald der Vergangenheit angehören. Das verspricht zumindest das deutsche Technologieunternehmen Rohde & Schwarz (RS). Mit 13.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mehr als zweieinhalb Milliarden Euro hat sich der Konzern mit Sitz in München zum Marktführer für Meßtechnik entwickelt.

Am Frankfurter Flughafen hat der Betreiber Fraport vor wenigen Wochen den Testbetrieb für den weltweit ersten Durchgangs-Sicherheitsscanner für Passagiere aufgenommen. Der QPS Walk2000 von Rohde & Schwarz soll die Sicherheitskontrollen beschleunigen. Die Passagiere durchlaufen den Scanner ohne anzuhalten in normaler Geschwindigkeit. Die Test- und Auswertungsphase ist auf bis zu sechs Monate angelegt und soll in dieser Zeit sowohl Fraport als auch RS wichtige Informationen zur Optimierung liefern.

Die Bundespolizei begleitet die Tests ständig. Fraport hat den QPS Walk2000 beschafft und aufgebaut, die Bundespolizei ist federführend bei allen sicherheitsrelevanten Tests und erteilt letztlich auch die Freigabe für den Einsatz im täglichen Betrieb. Das Gerät ist ein 360-Grad-Durchgangsscanner, der eine schnelle und berührungslose Kontrolle von Objekten aller Art ermöglicht. Die eingesetzte Millimeterwellentechnologie durchdringt auch dicke Oberbekleidung, so daß beispielsweise das Ausziehen von Kleidungsstücken künftig überflüssig wird.

Die mit künstlicher Intelligenz unterstützte Technik erkennt automatisch nicht nur metallische, sondern auch nichtmetallische Gegenstände. Die am Passagier entdeckten möglichen Gefahrenstellen werden präzise und in Echtzeit auf einem natürlich geschlechtsneutralen Avatar angezeigt. Nachkontrollen sollen dann nur noch selten notwendig werden. Falls doch, können sie gezielt auf den fraglichen Alarmbereich angewendet werden, anstatt den Passagier komplett abzutasten.

Ein ähnliches Projekt wurde bereits am Amsterdamer Flughafen Schiphol gestartet. „Die Investition ist eine Win-Win-Situation für alle: Schiphol kann nun die Zahl der zeitaufwendigen manuellen Abtastvorgänge minimieren, und die Passagiere erleben mehr Komfort und Schnelligkeit an den Sicherheitskontrollen“, sagt der Betreiber. Die Sicherheitsbeamten zeigen sich ebenfalls erfreut: „Die neuen Scanner funktionieren viel einfacher ,und wir müssen weniger Passagiere kontrollieren. Es gibt viel mehr Komfort und Sicherheit. Das ist wirklich ein großer Fortschritt.“

Der Vorstand des Unternehmens legt Wert auf die Feststellung, daß die Firma Rohde & Schwarz als unabhängiges Privatunternehmen sein Wachstum erfolgreich aus eigener Kraft finanziere. Etwas, das in Deutschland tatsächlich bei weitem nicht mehr die Regel ist. Da der Konzern keinem Quartalsdenken unterliege, könne es langfristig und nachhaltig planen. „Das macht Rohde & Schwarz seit mehr als 85 Jahren zu einem verläßlichen Geschäftspartner sowohl in der Privatwirtschaft als auch im staatlichen Bereich“, heißt es in einer Selbstdarstellung.

Gegründet wurde das Unternehmen von Lothar Rohde aus Leverkusen und Hermann Schwarz aus Nördlingen in Schwaben, die sich während ihres Physikstudiums in Jena kennenlernten. 1932 bauten sie ihr erstes Meßgerät, im August 1933 nahm die Firma Physikalisch-Technisches Entwicklungslabor Dr. L. Rohde & Dr. H. Schwarz den Betrieb auf. Die beiden Studienfreunde erforschten damals die noch weitgehend unbekannte Welt der Hochfrequenztechnik.

Rohde & Schwarz Spezialtechnik: Wifi, 5G, GPS oder Blutooth

Heute richtet Rohde & Schwarz als global agierender Technologiekonzern seine gesamte Geschäftsentwicklung auf die drei Bereiche Meßtechnik, Technische Systeme sowie Netzwerke & Cybersicherheit aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg machte sich das Unternehmen vor allem als Dienstleister für den neu gegründeten Rundfunk einen Namen. Am 18. Januar 1949 erhielt Rohde & Schwarz von Radio München, dem Vorläufer des Bayerischen Rundfunks, den Auftrag, einen frequenzmodulierten UKW-Versuchssender zu bauen und probeweise zu betreiben.

Jahre später stieg das Unternehmen in die Flugsicherung ein. Die erste Fluglärmüberwachungsanlage in der Bundesrepublik wurde 1959 für den Frankfurter Flughafen gebaut. Heute liefert das Unternehmen vor allem Meßlösungen für Mobil- und Funktechnologien, von Mobilfunknetzen über Bluetooth und GPS bis hin zum drahtlosen Internetzugang. Es bietet Geräte für die Entwicklung und Produktion von Chipsätzen, mobilen Endgeräten und Basisstationen. Darüber hinaus hat Rohde & Schwarz das erste abhörsichere Mobiltelefon entwickelt.

In einem dritten Geschäftsfeld liefert das Unternehmen Funkkommunikationssysteme. Die Münchner entwickeln softwaregesteuerte Funkgeräte (SDR). So hat die Bundeswehr das Unternehmen Ende 2008 mit der Entwicklung eines Gerätes für die einheitliche Funkausstattung der Streitkräfte beauftragt.

Ende August dieses Jahres eröffnete das Unternehmen einen neuen Standort im Kieler Wissenschaftspark. Von der Küste aus bearbeitet ein Expertenteam nationale und internationale maritime Projekte. Hier werden Systemlösungen für die sichere Kommunikation und den zuverlässigen Beitrag zum Lagebild an Bord von Marineschiffen entwickelt und implementiert. Das Unternehmen ist „langfristiger und zuverlässiger Partner für mehr als 40 Marinen weltweit“, sagt Peter Riedel, Geschäftsführer von Rohde & Schwarz. Standorte sind in Hamburg, Kiel, Eckernförde, Wilhelmshaven sowie Warnemünde und Bremen.

Vorsitzender der Geschäftsführung ist Christian Leicher. Nach dem Studium der Elektrotechnik und einem wirtschaftswissenschaftlichen Aufbaustudium an der Technischen Universität München (TUM) startete Leicher seine Karriere in der Telekommunikationsindustrie. Von 1997 bis 2004 war der 54jährige in verschiedenen Funktionen für den Ericsson-Konzern in Deutschland, China, Schweden und den USA tätig. Im Jahr 2005 wechselte er als Geschäftsführer zur Rohde & Schwarz Gruppe. Dort war er zunächst für die Bereiche Marketing & Sales, Finanzen und IT verantwortlich, seit 2016 steht er an der Spitze des Unternehmens. Leicher ist Vertreter der Gesellschafter und einer der Enkel der Firmengründer.

Erst 2006 hatte Friedrich Schwarz, Sohn des Technologiepioniers Hermann Schwarz, die Geschäftsführung abgegeben. Unter der Führung des Technologieexperten Leicher hat sich das Unternehmen strategisch auf den Bereich Netzwerksicherheit fokussiert. Der Münchner Elektronikkonzern sieht in der Absicherung von Kommunikation und Daten eine wichtige Aufgabe. Gerade für Unternehmen, Behörden und kritische Infrastrukturen nehmen die Gefahrenpotentiale rasant zu.

Über 110 Milliarden Euro Umsatz und reichlich Gewinn

2014 und 2015 kaufte das Unternehmen mehrere Konkurrenten. Rohde & Schwarz sieht den Markt für Cybersicherheit in Europa, „aber auch in Deutschland“ fragmentiert. Es fehlten „starke Anbieter, wie es sie in den USA gibt“, erklärte der Vorstand. Rohde & Schwarz Cybersecurity soll der zentrale Lösungsanbieter in Europa werden.Die Entwicklung des Münchner Unternehmens ist beachtlich, nicht nur im Geschäftsfeld Datensicherheit.

Längst rüstet Rohde & Schwarz auch ausländische Streitkräfte aus. Vor gut einem Monat gelang dem Unternehmen ein echter Coup. Das Heimdall-System von Rohde & Schwarz wird die Basis für die elektronische Kampfführung der norwegischen Armee. Darüber hinaus soll das System die Überwachungsfähigkeiten der Streitkräfte verbessern. Ziel der norwegischen Armee ist es, ein besseres Situationsbewußtsein zu schaffen. „Die Lösung von Rohde & Schwarz überzeugte die norwegischen Verantwortlichen durch ihre Hochfrequenzeigenschaften, die schnelle Signalverarbeitung und das Bedienkonzept“, teilte das Unternehmen mit. Die Armee plane es einzuführen.

Mit Heimdall könne die norwegische Armee Informationen schneller und effizienter erfassen, lokalisieren und analysieren und ihre Fähigkeiten zur elektronischen Kampfführung stärken. Neben dem Verkauf seiner Produkte und Dienstleistungen investieren die Münchner in erheblichem Umfang in die Forschung in Zusammenarbeit mit Universitäten, etwa in Kiel und im niederbayerischen Deggendorf.

Die Erfolge der vergangenen zwei Jahrzehnte können sich sehen lassen. Als Leicher 2006 an die Spitze des Unternehmens kam, beschäftigte es gut 6.000 Mitarbeiter. Heute sind es gut doppelt so viele. Und der Umsatz hat sich seitdem auf 110 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Die Umsatzrendite soll zweistellig sein. Inzwischen ist Rohde & Schwarz in rund siebzig Ländern aktiv. Für ein Familienunternehmen ist das außergewöhnlich.