© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/23 / 03. November 2023

„Kein Gut ist jemals so knapp wie Zivilcourage“
Forum Freiheit: Die Hayek-Gesellschaft diskutierte die Gefahren von grüner Ideologie, WHO und Staat für Wohlstand, Freiheit und Rechtsstaat
Hans Ketzer

Seit 25 Jahren gibt es die Hayek-Gesellschaft, und bei ihrem „Forum Freiheit“ versammeln sich alljährlich selbstbestimmte Denker. Ihnen geht es – wie dem Nobelpreisträger Friedrich A. von Hayek – nicht nur um die Wirtschaft, sondern um die Freiheit in allen Bereichen als Grundprinzip einer offenen Gesellschaft. Und um die steht es nach zwei Jahren Ampelkoalition nicht gut. Daher diskutierten die Freiheitsfreunde nicht nur die verheerende ökonomische Bilanz, denn auch um die Themen Migration, Gender, Familie oder Grundrechtseingriffe tobt längst ein Kulturkampf.

Die am 26. Oktober im Berliner Hotel Schweizerhof versammelten Referenten und Gäste sind sich einig in ihrer Skepsis gegenüber dem Staat, aber sie sind beileibe kein monolithischer Block. Passend zum diesjährigen Motto „Kippunkte für die Offene Gesellschaft“ hallen Stichworte wie De-Industrialisierung, Öko-Diktatur, Klima-Sozialismus, Staatsfunk, Schulden- oder Steuer-Sozialismus durch den Raum. Gemeinsam ist das Unbehagen über verengte Meinungskorridore, Einschränkung der persönlichen Freiheit, zunehmende Zensurversuche und vorgestanzte Denkmuster. Erich Weede, Soziologe, Psychologe und Konfliktforscher, warnte vor den Gefahren einer Eskalation des Ukrainekrieges und sieht die Gefahr einer nuklearen Katastrophe in Europa. Ein anderer Teilnehmer, der hingegen intensiv auf die Unterstützung der Ukraine setzt, war extra mit dem Auto von Lemberg nach Berlin gefahren und berichtete als Kontrast von seinen „Eindrücken aus erster Hand“.

Direkte Demokratie und Belebung der nationalen Souveränität?

Stefan Kooths, Direktor des Forschungszentrums Konjunktur und Wachstum am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) und seit 2019 Vorsitzender der Hayek-Gesellschaft, beleuchtete die Entwicklung seit dem Fall der Mauer, als vielerorts das „Ende der Geschichte“ ausgerufen worden war. Ein Großteil der Liberalen habe danach gedöst. Dabei müsse Freiheit immer wieder erklärt und begründet werden. Und „kein Gut ist jemals so knapp wie Zivilcourage“, meinte Kooths.

Der Staatsrechtler Ulrich Vosgerau beleuchtete, wie Grüne über Brüssel und das Bundesverfassungsgericht „ihr“ Recht durchsetzen, wenn in nationalen Parlamenten die Mehrheit für die Transformation fehlt. Die Nicht-Juristen lernten dabei den Unterschied zwischen Urteilen und Beschlüssen der Verfassungsrichter. Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Carlos A. Gebauer bereicherte den Wortschatz der Teilnehmer um den Begriff „Immunsystem-Leugner“ und skizzierte juristische Angriffsmöglichkeiten in der Zivil- und Strafprozeßordnung. Roland Tichy, journalistisches Urgestein und inzwischen Fundamentalkritiker von Politik und Justiz, sieht dabei hingegen nur wenig Chancen. Recht sei Ausdruck von Macht, er erwartet sich von den „Paragraphenreitern“ keine Hilfe im Kampf gegen die linken Freiheitsgegner.

Der Arzt und Unternehmer Stephan Rietiker, Präsident von Pro Schweiz, setzt auf die direkte Demokratie. Doch das konnte den deutschen Teilnehmern wenig Hoffnung spenden. Gerhard Papke, von 2005 bis 2012 Chef der FDP-Landtagsfraktion in NRW und heute Präsident der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft, forderte daher eine „Revitalisierung nationaler Souveränität“.

Eine vernichtende Kritik der deutschen Energiewende zog der Hamburger Unternehmer Lutz Peters. Und offenbarte dabei auch den tiefen Riß unter den zahlreichen Kritikern. Peters hält die CO₂-Speicherung unter dem Meeresboden (CCS; JF 44/23) für sinnvoll, andere Forumsgäste halten Kohlendioxid hingegen für unschädlich. Von einer noch relativ neuen Front im alten Kampf „Freiheit oder Sozialismus“ berichtete Roland Tichy. Der neue WHO-Pandemie-Vertrag sei ein Welt-Impfvertrag. „Unsere Grundordnung ist nichts mehr wert“, so bewertete Tichy den Versuch, über die Weltgesundheitsorganisation unter Leitung des äthiopischen Marxisten Tedros Adhanom Ghebreyesus Grundrechte auszuhebeln.

Thilo Sarrazin, der in seinem 2010 erschienenen Erfolgsbuch „Deutschland schafft sich ab“ die heutigen Entwicklungen voraussagte, berichtete über weitere unerhörte Warnungen und seine Erfahrungen mit der „Cancel Culture“. Der Ökonom Markus Krall berichtete von seinen Begegnungen mit dem deutschen Rechtsstaat – abgehörte Telefonate mit seinem Anwalt, Hausdurchsuchung sowie Verhör und Empfang am Frankfurter Flughafen durch schwerbewaffnete Sicherheitskräfte.


„Kippunkte für die Offene Gesellschaft – Gefahren für Wohlstand, Freiheit und Rechtsstaat“:

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