Es bleibt wohl nicht bei einem Jahresverlust von 4,5 Milliarden Euro. Der Aktienkurs abgestürzt, Rating-Agenturen drohen mit Abwertung – Siemens Energy verhandelt mit der Bundesregierung, den Banken und der Muttergesellschaft Siemens über Garantien von 15 Milliarden Euro zur Absicherung des Auftragsbestands von 110 Milliarden Euro. Der als Sanierer engagierte Vorstandschef Christian Bruch muß nach Vorlage der Quartalszahlen am 15. November und dem folgenden Kapitalmarkttag um seinen Job fürchten.
Für Olaf Scholz ist der Energiewende-Konzern zwar „ein ganz wichtiges Unternehmen“, doch der Bund will den Verlustbringer „nur“ mit neun Milliarden Euro absichern, wenn die Siemens AG selbst fünf Milliarden Euro an Garantien stellt. Selbst der „grüne“ DIW-Ökonom Marcel Fratzscher warnt vor solch irrwitzigen Staatsgarantien, die brächten „Fehlanreize für Unternehmen, da sie eine Vollkasko-Mentalität fördern“. Die Siemens-Führung redet sich mit aktienrechtlichen Problemen herraus, man halte nur noch 25,1 Prozent an Siemens Energy. Im Juni waren vorsorglich 6,8 Prozent an den Verein Siemens Pension-Trust überschrieben worden. Und die Garantien lösen zwar die Ratingprobleme, nicht aber die Qualitätsprobleme der baskisch-spanischen Windkrafttochter Gamesa. Derzeit muß Siemens Energy als Gamesa-Muttergesellschaft teure Nachrüstungen bei mehr als hundert bereits für Kunden gebauten und über 700 auf Halde liegenden Windkraftanlagen vornehmen (JF 43/23). Neuaufträge gehen zunehmend vor allem nach China. Siemens Gamesa ist momentan und wohl auch mittelfristig kaum lieferfähig.
Trotz dieser heiklen Situation rechnen Aktienanalysten mit einer raschen Einigung zwischen den designierten Bürgen. Die Fehlentscheidungen aus der Abspaltungsära der früheren Siemens-Chefs Peter Löscher und „Joe“ Kaeser werden nun absehbar mit viel Aktionärs- und Steuergeldern gedeckt. Der volkswirtschaftliche und der Image-Schaden einer Pleite des Dax-40-Unternehmens Siemens Energy wäre kaum kalkulierbar. Und der Verlust der meisten deutschen Produktionskapazitäten für Windkraftanlagen wäre für den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck noch weniger zu rechtfertigen. Denn die Energiewende muß schließlich weitergehen – koste es, was es wolle.