An warnenden Stimmen hat es nicht gefehlt: Im Zuge der Flüchtlingskrise in den Jahren 2015 und 2016 war aus den Reihen der Sicherheitsbehörden immer wieder die Befürchtung geäußert worden, daß nicht nur potentielle Terroristen kommen könnten, sondern daß insbesondere die Flüchtlinge aus Afghanistan, Syrien und dem Irak ihre nationalen und ethnischen Konflikte, ihren Islamismus und nicht zuletzt ihren ausgeprägten Antisemitismus mit nach Deutschland bringen würden.
Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel und dem fortdauernden militärischen Gegenschlag der israelischen Armee wird immer deutlicher, daß diese Einschätzungen und Prognosen nicht aus der Luft gegriffen waren. Der Nahostkonflikt wird insbesondere durch arabischstämmige Personen, von denen viele in den vergangenen Jahren nach Deutschland eingewandert sind, auch in deutschen Städten ausgetragen. Die zahlreichen Demonstrationen der vergangenen Wochen, inklusive brennender Barrikaden und Angriffe auf Polizisten sowie Drohungen gegen Juden und jüdische Einrichtungen zeigen: Es hat sich etwas verändert, Deutschland ist nicht mehr nur Beobachter oder Vermittler im Nahostkonflikt, sondern spürt die Auswirkungen unmittelbar im eigenen Land.
Am Beispiel des Vereins Samidoun, der eine zentrale Rolle bei der Mobilisierung der antiisraelischen und antisemitischen Proteste und Demonstrationen in Berlin spielt und dessen Verbot Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Regierungserklärung am 12. Oktober angekündigt hatte, läßt sich gut zeigen, welchen Einfluß die unkontrollierte Einwanderung der jüngeren Vergangenheit auf die Sicherheitslage in Deutschland hat. Denn den Kern der Berliner Gruppe von Samidoun, einem vor gut zehn Jahren in den Vereinigten Staaten gegründeten palästinensischen Netzwerk, bilden Syrer, die 2015 nach Deutschland gekommen sind und ihren aggressiven Antisemitismus und ihren Haß auf Israel mitgebracht haben.
Nach Angaben der FAZ werden die Akteure von Samidoun von den Berliner Sicherheitsbehörden als besonders aktive und einflußreiche Netzwerker und Agitatoren beschrieben. Sie verfolgten anders als die Hamas kein religiöses, sondern ein linkes, marxistisches Konzept, suchten in jüngster Zeit allerdings auch den Kontakt zu Berliner Moscheevereinen. Als Kopf der Gruppe und Deutschland-Koordinator gelte der Syrer Zaid Abdulnasser, der seit 2017 in Berlin lebt. Im Sommer habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) versucht, ihm wegen seiner politischen Betätigung den Flüchtlingsstatus abzuerkennen, womit ihm sein Aufenthaltsrecht in Deutschland entzogen werden sollte. Das ist aber bisher nicht gelungen, berichtet die B.Z.
Nahostkonflikt dringt
in deutsche Klassenzimmer
Von diesem unbeholfenen Versuch des deutschen Staates gibt sich Abdulnasser gänzlich unbeeindruckt. „Unsere Antwort ist die Standhaftigkeit und die Weiterführung der Gründung einer revolutionären Massenbewegung in Deutschland, die gegen die zionistischen und imperialistischen Interessen hier in Europa und in Deutschland kämpft“, teilte er auf der Internetseite von Samidoun Ende September, also wenige Tage vor dem Terrorangriff der Hamas auf Israel, mit. Und schickte gleich noch eine Drohung hinterher: „Der Angriff des Staats gilt stets der gesamten Bewegung. Daher ist es für alle revolutionären Kräften erforderlich, auf diesen Fall genauso zu reagieren, wie sie dies tun würden, wenn auch sie unmittelbar betroffen wären. Der Brand wird alle erreichen.“
Unterstützung für seinen Kampf gegen die drohende Ausweisung erhält Abdulnasser auch von deutschen linken Organisationen – inklusive eines Spendenkontos bei der auch von Teilen der SPD unterstützten „Roten Hilfe“. Erst als nach den Massakern der Terrorgruppe die Bild-Zeitung die Verstrickung des Hamas-Sympathisanten öffentlich gemacht hatte, beendete die Rote Hilfe die Unterstützung der Kampagne für den Berliner Samidoun-Chef.
Während die Bilder der antiisraelischen Demonstrationen auf deutschen Straßen das Problem des eingewanderten Antisemitismus für jeden anschaulich machen, sind die durch die Migrationskrise der vergangenen Jahre stark angewachsenen Probleme an vielen Schulen im Lande nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Spektakuläre Fälle wie das Handyvideo einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen einem Lehrer und einem Schüler um eine Palästinenser-Flagge an einer Schule in Berlin-Neukölln machen die Situation schlaglichtartig deutlich.
Dabei erschwert der Konflikt an manchen Schulen des Berliner Bezirks, in dem mittlerweile rund 30.000 Araber leben, nach Einschätzung des Bezirksbürgermeisters Martin Hikel (SPD) schon seit längerem den Unterricht. Der „Nahostkonflikt wird zunehmend auch an Schulen ausgetragen“, sagte er nach dem Terrorangriff der Hamas dem RBB-Sender Radio Eins. Dabei gehe es vor allem um Schüler, die in ihren Familien arabische Medien, etwa Fernsehsender und Internetportale, konsumieren würden. Er sei daher in Kontakt mit den Schulen und dem Senat, sagte Hikel. „Weil natürlich kann es nicht sein, daß ein Konflikt, der Tausende von Kilometer von Berlin stattfindet, hier auch dafür sorgt, daß unter Umständen die Kolleginnen und Kollegen in den Schulen nicht vernünftig unterrichten können.“ Berlins Schulsenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) sprach gegenüber dem Spiegel von einer „angespannten Lage“. Sie hatte Schulleitungen empfohlen, beispielsweise das Tragen einer Kufiya, also des sogenannten Palästinensertuchs, wenn es als „Befürwortung oder Billigung der Angeriffe gegen Israel“ verstanden werden könnte, temporär zu untersagen. Es ist ein offenes Geheimnis, daß Lehrer nicht nur an Schulen in der Hauptstadt den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern nur mit äußerster Vorsicht im Unterricht behandeln. Denn sie wissen, daß ein großer Teil der muslimischen Schüler israelfeindlich eingestellt ist.
Tatsächlich kann aus diesem Milieu mehr drohen als die Teilnahme an aufgeheizten antisraelischen Kundgebungen. Dies zeigt die mutmaßliche Vereitelung eines Terroranschlags auf eine pro-israelische Demonstration durch die Sicherheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen. In der vergangenen Woche nahm die Polizei den vorbestraften 29jährigen Islamisten Tarik S. unter dem Verdacht fest, er habe geplant, mit einem Lastwagen in eine pro-israelische Demonstration zu rasen. Der Hinweis auf die Pläne des in Bielefeld geborenen deutschen Staatsbürgers, der 2013 für die Terrormiliz „Islamischer Staat“ in Syrien gekämpft haben soll und nach seiner Rückkehr nach Deutschland 2017 zu fünf Jahren Jugendstrafe wegen seiner IS-Mitgliedschaft verurteilt worden war, kam von einem ausländischen Geheimdienst. Nach Auskunft seines Rechtsanwalts habe S. zuvor an einem Aussteigerprogramm teilgenommen. Der Erfolg sei ihm damals ausdrücklich bescheinigt worden, berichtet die ARD.
Doch nicht nur innenpolitisch, sondern auch außenpolitisch hat der neuerliche Nahostkonflikt Deutschland in schwieriges Fahrwasser gebracht. Am Freitag vergangener Woche enthielt sich die Bundesrepublik bei der Abstimmung über eine UN-Resolution. In der wird jegliche Gewalt gegen die israelische und palästinensische Zivilbevölkerung verurteilt, die sofortige und bedingungslose Freilassung aller „illegal festgehaltenen“ Zivilisten verlangt und ungehinderter Zugang für humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gefordert. Außerdem wird in dem Papier zu einer „sofortigen dauerhaften und nachhaltigen humanitären Waffenruhe“ aufgerufen, die zur „Einstellung der Feindseligkeiten“ führen solle.Was indes fehlt, ist eine eindeutige Verurteilung des Terrors der Hamas als Auslöser des Krieges. Daher stimmten 14 Mitgliedsstaaten gegen die Resolution, darunter Israel, Ungarn, Tschechien und Österreich. Deutschland hingegen gehörte zu den 45 Staaten, die sich enthielten. Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, kritisierte das Abstimmungsverhalten Berlins. „Wir brauchen Deutschlands Unterstützung bei der Uno“, sagte der Diplomat vergangenen Sonntag in einem Grußwort zum Landesparteitag der nordrhein-westfälischen CDU. Sich bei einer Abstimmung zu enthalten, „weil man nicht direkt sagen kann, daß Hamas für dieses grausame Massaker verantwortlich ist, ist nicht genug“, kritisierte er.