Sachsens Schulleiter haben das umzusetzen, was ihnen die vorgesetzte Behörde vorgibt. Aktuell ist es ein allmorgendlicher „Lesestart“ für die Grundschüler, der Hals über Kopf in den Stundenplan geschoben wurde und selbst leseeifrige Schüler eher frustriert als motiviert. Und das bei fehlenden Stamm- und nur äußerst schwer zu bekommenden Aushilfslehrern. Gleichzeitig steigen die Klassenstärken, auch weil immer neue Flüchtlingskinder den Schulen zugewiesen werden.
Die eigentlich gesetzlich vorgeschriebenen Lehrer, die den des Deutschen kaum mächtigen Schülern an die Seite gestellt werden müßten, werden abgezogen, um andere Löcher zu stopfen. Die einen Eltern protestieren bei der Schulleitung, die anderen sind für diese unerreichbar, weil es an Dolmetschern fehlt – Alltag an Sachsens Schulen.
Da die seit 1990 regierende CDU aktuell den Ausbau ganztägigiger Bildungs- und Betreuungs-
angebote an Grund- und Förderschulen sowie Horten politisch vorantreibt, aber dafür kein Personal zur Verfügung stellen kann, hat sie auch hier die Verantwortung an die Schulleitungen delegiert. 137 Millionen Euro stehen in der Förderrichtlinie „Ganztagsinvesitionen“ bereit, mit der sich Schulen fehlendes Personal zukaufen können, sofern sie denn welches finden.
Nach Vorstellungen des Ministeriums sollen „Fachkräfte“ beispielsweise eine Foto-AG oder den Schulchor leiten und so die Lehrer entlasten. Eines dürfen die Externen aber nicht: eigenständig unterrichten. Den 400 beteiligten Schulen stehen dafür je nach Größe in diesem Jahr zwischen 7.000 und 10.000 Euro zur Verfügung. Ziel sei es, so das Ministerium, „Eigenverantwortung und Selbständigkeit der Schulen zu stärken“, denn diese könnten so „besser als bisher inhaltliche Schwerpunkte“ setzen.
In Wirklichkeit ist es eine Verwaltung des Mangels. Und so scheitern immer mehr Schulleiter im Alltag, eine funktionierende Schule dauerhaft zu organisieren. Alleingelassen mit ihren Dauerproblemen Lehrermangel, Unterrichtsausfall und zunehmender Ausländeranteil, werfen selbst die Engagiertesten hin oder müssen krankheitsbedingt ausscheiden. Forderungen, die Aufgabenlast zu reduzieren, verhallen ungehört. Das Ergebnis: An 78 öffentlichen Schulen fehlt der Chef, rund hundert Stellvertreterposten sind unbesetzt, berichtet die Sächsische Zeitung diese Woche. An 18 Schulen fehlten sogar beide, Schulleiter und Stellvertreter. Längst wird Leitungspersonal anderer Schulen zur Betreuung der führungslosen Kollegien vergattert. Schulleiter in Sachsen zu sein „bedeutet mehr Belastung, viel mehr Aufgaben bei wenig Anerkennung“, sagt Michael Jung, Chef des Sächsischen Lehrerverbandes: „Schulleiter heute heißt, definitiv auch Prellbock zu sein – nach oben und nach unten.“
Zumal die Leitungsfunktion sich nicht einmal finanziell auszahlt. Verlangt der Freistaat von Bewerbern unter anderem hohe Belastbarkeit und Flexibilität, so unterscheidet sich das Grundgehalt eines Schulleiters in den ersten Jahren teilweise nicht einmal um monatlich hundert Euro zu gleichqualifizierten Lehrkräften.