© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/23 / 03. November 2023

Die Wagenknecht-Partei formiert sich
Symptom und Ursache
Werner J. Patzelt

Die Wagenknecht-Partei wird zur Wirklichkeit. Unklar ist, zu welcher. Demoskopen stochern im Nebel: hohes Wählerpotential – und geringe Aussichten, daß dieses sich in reale Stimmen umsetzt. Dazwischen bewegt sich die Diskussion. 

Leider dreht sie sich um eher Oberflächliches: Ist Wagenknechts Partei ein Zaubermittel gegen die AfD, gefährdet sie die Mitte, zerstört oder stärkt sie die Linke? Wichtiger wäre die Klärung von Konsequenzen daraus, daß sich unser Parteiensystem dank freier Wahlen neu formiert, seit die etablierten Parteien sich nach Programmatik und Politik, Umgangsstil und Personal von dem entfernten, was die Mehrheit der Bürger für richtig hält. 

Gerade so ist es in Deutschland aber seit Merkels Zeiten gekommen: programmatisch-politisch bei der Eurozonen-, Energie- und Migrationspolitik, stilmäßig beim ausgrenzenden Verzicht auf inhaltliche Debatten mit der AfD, personell mit Spitzenpolitikern ohne Format, die sich als Erziehungsberechtigte eines 

ungemochten Volks aufspielen. Wirre Politik lädt jetzt ein zur Querfrontbildung. Ob Wagenknecht die aber stabil hinbekommt? Talken ist leicht, doch Partei­gründen schwer. Die Europawahl wird zeigen, ob hier ein linkes Widerlager zum Wokeismus entsteht oder eine Eintagsfliege schlüpfte.






Werner J. Patzelt ist emeritierter Lehrstuhlinhaber für Politische Systeme an der TU Dresden.