Die sich selbst so nennenden „Reichsbürger“ hält das Staatsrechtler-Duo Christoph und Sophie Schönberger (Uni Köln/Düsseldorf) natürlich für eine indiskutable „juristische Laiensekte“. Auf die „spezifische Gefährlichkeit“ der medial gern ins Lächerliche gerückten Reichsbürgerszene gebe dieser pragmatisch-bürokratische Umgang aber trotzdem eine unangemessene Antwort (Merkur, 10/2023). Denn ihre Ideologie, die der staatlichen Ordnung der Bundesrepublik die Legitimität abspricht, ziele auf den imaginären Kern des Rechtssystems, der sich weder rational letztbegründen noch als natürliches Phänomen verorten, sondern nur psychologisch als eigenartige Suggestionskraft umschreiben lasse, die jede Rechtsordnung stabilisiere. Sie sei, wie die Schönbergers das „Böckenförde-Paradox“ variieren, an komplexe soziale Bedingungen geknüpft, über deren Erhalt und Zerstörung es wenig empirische Erkenntnisse gebe. Mit ihrer rigorosen Weigerung, das bestehende Rechtssystem als geltend anzuerkennen, legten Reichsbürger diesen fragilen, in psychischen Dispositionen verborgenen Kern jeder rechtlichen Ordnung frei. Wobei die historische Erfahrung von 1989/90, als ein ganzes Staatswesen, die DDR, binnen weniger Monate verschwand, die Flüchtigkeit von Legitimationserzählungen zu bestätigen scheine.