Wie innerhalb der EU üblich, stand am Ende der Verhandlungen der EU-Energieminister über ein neues Strommarktdesign ein unklarer Kompromiß, den alle beteiligten zunächst als Sieg deuten konnten. Dabei ist die geplante Neuregelung eigentlich keine große Veränderung, sondern eher eine Freigabe der Mechanismen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) für alle Länder, welche den Bau von Ökostromanlagen „fördern“ wollen. Diese Subvention erfolgt durch eine Bevorteilung der neuen Anlage gegenüber den bestehenden, die bereits steuerlich abgeschrieben sind und sich amortisiert haben.
Das EEG verwendet für diese Subventionen Garantiepreise in Form einer Einspeisevergütung, die Windräder und PV-Module an Standorten ermöglicht haben, die sonst energie- wie betriebswirtschaftlich nicht rentabel gewesen wären. Damit dies EU-weit möglich wird, sollen in Zukunft zweiseitige Differenzverträge für neue Anlagen obligatorisch werden. Dieses Instrument muß man sich als eine Art EEG-Einspeisegarantiepreis mit Rückzahlungsoption vorstellen. Der Staat nutzt Steuergelder, um Investoren nach Fertigstellung der Anlage einen Abnahmepreis zu garantieren. Liegt der Börsenpreis, zu dem weiterhin gehandelt werden soll, unter dem Garantiepreis, zahlt der Steuerzahler, der meist auch der Stromverbraucher ist, die Differenz über die staatlich garantierten Ausgleichszahlungen. Liegt der Börsenpreis über einer vereinbarten Preisobergrenze, müssen die Anlagenbetreiber ihre Mehreinnahmen aus dem Börsenverkauf an den Staat überweisen.
Langfristige Garantiepreise für „erneuerbare“ Energien und AKW
Die Neuregelung ist insbesondere für die deutschen Verbraucher keine gute Nachricht. Die Regelung wird nicht dafür sorgen, daß die höchsten Strompreise der Welt in Zukunft nicht mehr aus Deutschland kommen. Auch in Zukunft wird Deutschland mindestens ein Dutzend weitere Steuern und Abgaben erheben sowie von den Verbrauchern die höchsten Netzentgelte fordern. Auch sind in Ausschreibungen für Ökostromanlagen verankerte, langfristige Garantiepreise das Gegenteil von Maßnahmen, welche die Gesamtkosten senken. Bereits 2021 unter der Merkel-Regierung wurde eine fällige Erhöhung der EEG-Umlage aus 10,8 Milliarden Euro Steuergeld bestritten. Diese falsche Entwicklung wird fortgesetzt, und durch die subventionierten neuen Anlagen steigen die Kosten der als Reserve benötigten konventionellen Anlagen und somit der Börsenpreis für die Verbraucher.
Dem Haushalt wie dem Unternehmen ist es egal, ob er für die Energie einen Strompreis oder Steuern bezahlt, der Standort Deutschland hat mit der vorläufigen ersten Einigung die Chance auf sinkende Strompreise verspielt. Bei einem hohen Börsenpreis müssen die Stromkunden weiterhin eben diesen Preis an die Stromversorger zahlen, die an der Börse einkaufen müssen. Die Tatsache, daß der Staat die hohen Einnahmen der Anlagenbetreiber an der Börse abschöpft, senkt den Preis für die Haushalte nicht. Selbst wenn diese Abschöpfung vom Staat an die Bürger in Form eines „Energiegeldes“ gezahlt werden sollte, blieben die umfangreichen Kosten bei der Verwaltung wie den Unternehmen sowie zahlreiche Steuertatbestände bei den Firmen wie den Haushalten.
Das Zustandekommen des schlechten Formelkompromisses ist auch der Tatsache geschuldet, daß Deutschland und Frankreich nach dem Formelkompromiß und vor den Verhandlungen mit dem EU-Parlament weiterhin darüber streiten, ob die französischen AKW über eine solche Regelung gefördert werden dürfen. Während sich Kernkraftwerksneubauten europaweit aus der Regelung kaum ausnehmen lassen werden, drängt Frankreich darauf, auch seine 56 bestehenden Kernreaktoren über die Garantiepreise der zweiseitigen Differenzverträge abzusichern.
Neben diesem offenen Streit über etwas, was beide Seiten als Einigung bezeichnen, droht Wirtschaftsminister Robert Habeck, der den verbraucherfeindlichen Kompromiß in Brüssel ausgehandelt hat, auch innerhalb der Ampelkoalition massiver Ärger. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Lukas Köhler, betonte, die Bundesregierung habe in mehreren Abstimmungen und Papieren festgelegt, das EEG nicht durch zweiseitige Differenzverträge zu ersetzen, sondern diese Vertragsform abzulehnen. Derzeit sieht der EU-Rahmenentwurf, der ohne den Bundestag verhandelt wird, allerdings die neue Vertragsform als obligatorischen Ersatz auch für das EEG vor, so daß sich die FDP-Drohung mit einem vorzeitigen Ende von garantierten Erzeugerpreisen bei einem Wegfall des EEG ohne Ersatz als leere Drohung im politischen Betrieb erweisen wird.