© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 44/23 / 27. Oktober 2023

„Fenster schließen, Heizung abdrehen“
51. Schwarzbuch: Bund der Steuerzahler stellt 100 neue Fälle öffentlicher Verschwendung vor / Sonderkapitel Politiker-PR
Christian Schreiber

Wenn es nicht so teuer wäre, könnte man Jahr für Jahr darüber lachen, wenn der Bund der Steuerzahler (BdSt) sein „Schwarzbuch: Die öffentliche Verschwendung“ vorstellt. In der aktuellen Ausgabe 51 kritisierte er vor allem die Ausgaben der Politik bei Öffentlichkeitsarbeit und Imagepflege. „Wir kritisieren nicht das Ob, sondern das Ausmaß, die Kosten und daß einige Politiker diese Ausgaben aus Steuermitteln als selbstverständlich erachten“, sagte BdSt-Präsident Reiner Holznagel. Schließlich stammt der 47jährige Mecklenburger selbst aus einer CDU-Familie.

Beispielhaft spießt der BdSt eine Informationskampagne der Ampel-Regierung auf, die zur Reduzierung des Energieverbrauchs animieren soll. Für die Kampagne, die Tips wie „Fenster schließen“ oder „Heizung herunterdrehen“ enthielt, habe die Regierung bis zum geplanten Kampagnen-Ende 2025 insgesamt 83 Millionen Euro veranschlagt, die teilweise noch aus Corona-Notlagenschulden stammten. Zudem betreibe die Bundesregierung allein 500 Social-Media-Accounts, hinzu kämen kostenpflichtige Beiträge in der Presse, dem Fernsehen und im Hörfunk, Online- und Außenwerbung.

Eine EU-geförderte Citybuslinie wurde schnell zum Rohrkrepierer

Der Bund betreibe mehr als 1.000 eigene Internetseiten – erreiche damit aber das Gegenteil: Die Bürger würden sich immer mehr von der Politik abwenden, sagte Holznagel und nannte nicht nur die steigenden Ausgaben als Grund. „Auch in der Sache wird die Imagepflege der Politik immer skurriler und fragwürdiger.“ Als negatives Beispiel nennt der Bund die Image-Pflege in Mecklenburg-Vorpommern. Hier würden mindestens 5,3 Millionen Euro Personal- und Sachkosten dafür entstehen, „daß die Landesregierung ihre Arbeit positiv verkaufen kann“, heißt es im Schwarzbuch.

Natürlich werden auch wieder zahlreiche kleinere oder lokale Fälle aufgezählt, über die jeder Steuerzahler nur den Kopf schütteln kann. So sollte eine Kunstlichtinstallation in Worms den Eindruck erwecken, daß es im Rhein einen Goldschatz gibt. Weil dadurch aber Bootskapitäne geblendet wurden, wurde alles wieder abgebaut. „100.000 Euro waren einfach weg“, so Holznagel. Im benachbarten Saarland gab die Regierung 230.000 Euro für ein Souvenir aus, das bundesweit Spott auslöste. Das Geld für die Entwicklung des Saarvenirs, das gleich mehrere Sehenswürdigkeiten des Saarlandes in sich vereinen soll, stammte nach Angaben der Landesregierung aus nicht abgerufenen Corona-Hilfen. Die Skulptur ist derart mißlungen, daß selbst die ARD-Tagesthemen darüber berichteten. Den Spitzenplatz im Schwarzbuch hat naturgemäß NRW. Gleich 13 von 100 Fällen ereigneten sich an Rhein und Ruhr. Sanierungsfälle wie die Kölner Oper und die Bonner Beethovenhalle haben seit Jahren einen festen Platz im Buch. Die Sanierung der Stadtbibliothek in Köln ebenfalls. Es habe eine Kostensteigerung von ursprünglich 15,8 Millionen auf 140 Millionen Euro gegeben, kritisiert der BdSt. Dazwischen liegen mehrere Jahre, eine Inflation, eine Energiekrise und eine Kostenexplosion im Bausektor.

Locker sitzt das Geld auch in Niedersachsen. Eine von der Kleinstadt Winsen an der Luhe mit EU-Geldern im Dezember 2021 eingerichtete Citybuslinie wurde zum Rohrkrepierer: Im September 2022 wurde das Angebot wieder eingestellt –  wegen mangelnden Interesses. Der Bus überbrückte eine Strecke von maximal einem Kilometer. Im Schnitt nutzten das Angebot 2,5 Bürger pro Fahrt. Die Kosten betrugen fast 120.000 Euro. Auch die diversen Brückenbauprojekte für die Ortsumgehung Celle der Bundesstraße B3 kritisiert der BdSt. Im Stadtteil Celle-Altenhagen stehe bereits eine Brücke und eine spezielle Fledermausbrücke. Dennoch sollen in wenigen hundert Metern Entfernung noch zwei weitere Fahrradbrücken gebaut werden.

Im rot-grün-roten Bremen entstand die „glänzende“ Idee,  den 17 Millionen Euro, die der Bund einst für die Sanierung des Holzseglers „Seute Deern“ bereitgestellt hatte, weitere 29 Millionen für den Nachbau der „Najade“ hinterherzuwerfen.  „ein x-beliebiges Stahl-Segelschiff ohne historisch nennenswerte Bedeutung für Deutschland oder für die Seestadt Bremerhaven“. Das Bahnprojekt Stuttgart 21, ein Dauerbrenner in Sachen Mißwirtschaft, steht nicht im Schwarzbuch, obwohl der unterirdische ICE-Bahnhof 2025 voraussichtlich nicht in vollem Umfang in Betrieb geht. Außerdem steigen die Gesamtkosten auf insgesamt 9,76 Milliarden Euro. Das sind 614 Millionen Euro mehr als noch 2022 veranschlagt. „Die Gesamtfertigstellung Hauptbahnhof befindet sich weiterhin auf dem kritischen Pfad“, heißt es bürokratisch in einem internen Papier, das zudem Probleme mit der Energieversorgung offenlegt. Auch das wird wieder Steuergeld kosten.