Der Jubel war groß bei der SVP am Wahlabend. Die Schweizerische Volkspartei hat vergangenen Sonntag bei den Parlamentswahlen besser abgeschnitten, als es die ohnehin schon guten Vorhersagen erwarten ließen. Mit 28,55 Prozent erreichte sie knapp drei Prozentpunkte mehr als bei der vorherigen Wahl vor vier Jahren und kommt damit auf 62 von 200 Sitzen im Schweizer Nationalrat, neun mehr als bisher. Mit weitem Abstand folgen die Sozialdemokraten (SP) mit fast 18 Prozent (41 Sitze). Große Verlierer sind die Grünen, die Grünliberale Partei (GLP) und die kommunistische Partei der Arbeit (PdA).
Während die Grünen 3,82 Prozentpunkte verlieren und mit 9,38 Prozent (23 Sitze) nun wieder unter der Zehn-Prozent-Schwelle liegen, verlor die PdA ihre bisherigen zwei Sitze und ist damit nicht mehr im Berner Bundeshaus vertreten. Die GLP kommt mit 7,24 Prozent nur noch auf zehn Sitze. Die rechtlichen sieben Mandate gingen an christliche und regionale Kleinparteien (EVP, EDU, MCG und Lega). An der Regierungszusammensetzung ändern die Ergebnisse nichts. Seit Jahrzehnten setzt sich der siebenköpfige Bundesrat aus den langfristig wählerstärksten Parteien zusammen.
„Ein schlechtes Zeichen für den Klimaschutz und Europa“
Die rechte SVP stellt zwei der sieben Mitglieder der Regierung, ebenso wie die schwächere linke SP und die liberale FDP (14,38 Prozent/28 Sitze). Die christliche Mitte-Partei (14,57 Prozent/29 Sitze) hat einen Sitz. Einen Premier gibt es nicht, der Regierungsvorsitz wechselt jährlich. Derzeit ist der Innenminister Alain Berset (SP) Bundespräsident und Verteidigungsministerin Viola Amherd (Mitte) Vizepräsidentin. „Bundeskanzler“ Walter Thurnherr (Mitte) ist nur oberster Regierungsbeamter.
SVP-Präsident Marco Chiesa freute sich über den Wahlsieg seiner Partei, den er im Schweizerischen Fernsehen (SRF) wie folgt begründete: „Wir haben gesehen, daß wir Probleme haben mit illegalen Migranten, in der Zuwanderung und bei der Energieversorgungssicherheit. Die Bevölkerung hat nun der SVP, aber auch der gesamten Regierung den Auftrag gegeben, diese zu lösen.“ Und in der Elefantenrunde bei Blick Online sagte Chiesa: „Die Leute haben die Nase voll von einer maßlosen Zuwanderung und dem Asylchaos.“
SVP-Vizepräsident Marcel Dettling ergänzte: „Das Volk hat gesprochen, da ist eine Kurskorrektur dringend notwendig.“ Das Wahlergebnis sei „das Resultat der letzten vier Jahre, der Schlendrian, der geherrscht hat im Bereich Asyl, aber auch im Bereich der gesamten Zuwanderung.“ Die Schweizerische Volkspartei verlangt unter anderem Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylsuchenden. Darüber hinaus ist die SVP ein entschiedener Gegner einer Annäherung an die Europäische Union (EU) und fordert eine strikt neutrale Haltung des Landes in internationalen Konflikten. Von daher lehnt die SVP auch eine automatische Übernahme der EU-Sanktionen gegen Rußland aufgrund des Ukraine-Kriegs ab.
Grünen-Chef Balthasar Glättli versuchte das verheerende Ergebnis seiner woken Großstadtpartei schönzureden. Gegenüber dem historischen Erfolg bei der Wahl 2019, als die Grünen 17 Sitze im Parlament gewonnen hatten, seien „zwei Drittel gerettet“ worden. „Das ist eine gute Basis, um weiter für den Klimaschutz zu kämpfen“, sagte Glättli dem SRF. Der SVP warf er angesichts von Flugblättern, die in der Schweiz „nur schwarze Menschen“ zeigten, eine rassistische Kampagne vor. „Und daß das an der Urne noch belohnt wird, macht mir große Sorgen.“ Zudem sei das Wahlergebnis „ein schlechtes Zeichen für den Klimaschutz, für die Gleichstellung, aber auch für die Beziehungen in Europa.“
Der Schweizer Politikwissenschaftler Michael Hermann fühlt sich in seinen Vorhersagen bestätigt. Der Erfolg der Nationalkonservativen basiere vor allem auf den internationalen Spannungen. „In Krisenzeiten steigt immer das Bedürfnis nach Stabilität und es gibt weniger Bedarf an Experimenten“, sagte Hermann der Nachrichtenagentur dpa. Gestiegene Preise hätten dabei eine weniger große Rolle als in Nachbarländern gespielt. So habe die Inflationsrate in den vergangenen 18 Monaten nie höher als 3,4 Prozent gelegen. Der Leiter des Instituts Sotomo begründete das unter anderem mit protektionistischen Maßnahmen, die die Preise generell hochhalten, in Krisenzeiten aber angepaßt werden und damit Preisschocks auffangen. Insgesamt erwartet Hermann keinen großen Rechtsrutsch in der Politik. „SVP-Politiker gehen im Wahlkampf einerseits komplett auf Attacke mit harten Positionen, aber als Regierungsvertreter führen sie sich anders auf“, sagt Hermann. „Das Doppelspiel ist sehr etabliert und akzeptiert.“