Solidarisch mit den Armen und Schwachen zu sein, die Selbsthilfe der Arbeiterschaft zu organisieren, diesen Zielen hat sich die Arbeiterwohlfahrt (Awo) seit mehr als hundert Jahren verschrieben. Ihr Ableger in Hessen, genauer in Frankfurt am Main, sorgte in der jüngeren Vergangenheit jedoch mit einer anderen Form der Selbsthilfe für Aufsehen: Eine Clique raffgieriger Führungsfunktionäre, so das Bild in der Öffentlichkeit, hatte sich mittels einen ausgeklügelten Systems gegenseitig luxuriöse Dienstwagen, sechsstellige Gehälter und noch jede Menge weitere Vergünstigungen zugeschanzt.
Prominentester Profiteur: der seinerzeitige sozialdemokratische Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann. Der frühere Awo-Mitarbeiter bekam Unterstützung im Wahlkampf und seine damalige Lebensgefährtin einen Job als Leiterin einer deutsch-türkischen Kindertagesstätte – mit Dienstwagen selbstverständlich. Und trotz fehlender Qualifikation. Üppig versorgt wurde auch eine Studentin und ehemalige Sprecherin der Jungsozialisten. Im Gegenzug ließ man sich die Kassen auf Kosten der Steuerzahler wieder füllen, etwa indem man überhöhte Rechnungen für den Betrieb eines Flüchtlingswohnheims ausstellte.
Selbsthilfe wörtlich verstanden. In der Mainmetropole machte das Wort „Genossenwohlfahrt“ die Runde. Das alles ist Geschichte. Feldmann ist im Strudel dieser und anderer Affären vom Wähler aus dem Amt gewählt, die verantwortlichen Geschäftsführer des Verbands sind rausgeworfen worden.
Nun ist auch die juristische – und finanzielle – Aufarbeitung des Skandals einen Schritt vorangekommen. Das hessische Landesarbeitsgericht hat den früheren Chef der Frankfurter und Wiesbadener Awo, Jürgen Richter, unter anderem wegen unrechtmäßiger Honorar- und Spendenzahlungen verurteilt. Der muß einen Betrag von etwa 1,55 Millionen Euro plus Zinsen an die Wohlfachtsorganisation zahlen, außerdem gemeinsam mit seiner Frau mehr 200.000 Euro gesamtschuldnerisch begleichen.
Denn als vor rund vier Jahren der Skandal ans Licht kam, entzogen die Finanzämter den örtlichen Awo-Gliederungen für mehrere Jahre die Gemeinnützigkeit. Spenden waren dadurch nicht mehr steuerlich absetzbar und fielen aus. Dadurch entstand dem Verband ein weiterer empfindlicher finanzieller Schaden, für den die ehemaligen Funktionäre nach dem Willen der neuen Leitung aufkommen müssen. Allein 582.000 Euro hätten die nicht mehr gemeinnützigen Teilorganisationen nachzahlen müssen.
Pech für die Richters: Die erste Instanz hatte noch zu ihren Gunsten entschieden. Eine Revision gegen das nun gegen sie lautende Urteil wurde nicht zugelassen. Immerhin können die Verurteilten gegen die Nichtzulassung der Revision noch eine Beschwerde beim Bundesarbeitsgericht einlegen.
Ohnehin stehen noch weitere, strafrechtliche Urteile aus. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt noch wegen Untreue und Betrug. Ex-Oberbürgermeister Feldmann war bereits im vergangenen Jahr wegen Vorteilsannahme zu einer Geldstrafe verurteilt worden.