Er stelle „unbequeme Fragen“, wolle, „daß es allen Menschen gut geht“, mache „sich Gedanken zu sozialen Themen“ sowie anspruchsvollen „Hip-Hop als Systemkritik“. Voll des Lobes zeigte sich das öffentlich-rechtliche „Hamburg Journal“ am Sonnabend in seinem Bericht über den Rapper „Disarstar“, der „6.000 Fans in die Hamburger Sporthalle gelockt“ habe – wobei der Sprecher die Zahl so beeindruckt betont, als seien es 60.000.
Doch nicht alle Zuschauer waren ebenso begeistert. Denn das NDR-Regionalmagazin zeigte als Beleg für die „Systemkritik“ einen Ausschnitt des Konzerts, in dem diese herzensgute Seele rappte: „Springer enteignen / FDPler vertreiben / Faschos ins Lager“. Noch mehr förderte kurz darauf der ÖRR-Blog (JF 24/23) zutage: 14 Tage nach dem Massaker in Israel feiert dieser TV-Bericht einen Musiker, der bereits seit 2011 in seinem Song „Free World“ den „Tod der Zionisten“ verlangt und dort einfordert, was die Hamas nun umgesetzt hat: „Rache für Gaza“ (in Form von Terrorismus). Mehr noch, denn auf die Worte „Tod den Zionisten“ singt der Hamburger Reimerüttler: „Freiheit über Geld / wann wachst du endlich auf / westliche Welt?“ Die Verbindung von „Zionisten“ und „Geld“ hat es freilich in sich – zumal den Medien sonst bereits der Begriff „globale Eliten“ oder ein Stofftier-Krake als Beweis für „Antisemitismus“ gilt.
Er sehnt Mord, Bürgerkrieg, Diktatur und Revolution herbei, um das „Dreckssystem zu massakrieren“.
Doch der Protest im Netz ficht den NDR nicht an, zumal Kritik in den Medien – mit Ausnahmen – bislang ausbleibt. Stattdessen rechtfertigt der Sender den Beitrag damit, daß er „die Faszination ausloten soll, die für junge Leute von (Disarstar) ausgeht“ – eine Faszination, die die Macher des Beitrags, der nach wie vor in der ARD-Mediathek abzurufen ist, offensichtlich teilen.
Warum wird klar, wenn man sich den Werdegang des Rappers ansieht: 1994 in Hamburg als Gerrit Falius geboren, zieht der Sohn eines in Konkurs gegangenen Unternehmers bereits mit 15 Jahren zu Hause aus. Es folgen Alkohol, Drogen, Raub, Erpressung, gefährliche Körperverletzung. Sein Bewährungshelfer bringt ihn scheinbar auf den richtigen Weg. Heute kämpft der Ex-Kriminelle für das „Gute“, läßt im Video zu seinem Lied „Alice im Wunderland“ die AfD-Chefin in eine Zwangsjacke stecken und in einer Irrenanstalt verschwinden, bekennt sich als Marxist, singt unter einem roten Stern, und sein Album „Deutscher Oktober“, benannt nach einem Putschversuch der KPD gegen die Weimarer Republik, erreichte 2021 Platz fünf der deutschen Charts.
Was Disarstar – dessen Name sowohl für „Dieser Star“ als auch „Desaster“ stehen soll – von Demokratie hält, macht er auch im NDR-Bericht klar: „Es ist nicht die Zeit für einen ... Diskurs der Mitte, es ist Zeit für Radikalismus.“ Und den hat er ebenfalls in „Free World“ schon definiert, wo er Gewalt, politischen Mord, Bürgerkrieg, Diktatur und Revolution herbeisehnt, um das herrschende „Dreckssystem zu massakrier’n“.
Der Fall Disarstar ist kein öffentlich-rechtlicher Ausrutscher, wie etliche Beispiele zeigen. So widmete etwa Moderatorin Juliane Wieler, heute Ehefrau Sascha Lobos, 2020 im Bayerischen Rundfunk dem IS-Kämpfer Deso Dogg einen „Shoutout“ (Gruß) – der hatte zuvor zu Terroranschlägen in Deutschland aufgerufen, in Syrien IS-Gegner enthauptet und sich mit dem abgetrennten Kopf eines Menschen posierend fotografieren lassen.