© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/23 / 20. Oktober 2023

Gasturbine statt Dieselmotor
Rußland setzt beim T-80U – wie beim US-Kampfpanzer M1 Abrams – auf Antriebsalternativen
Paul Leonhard

Die Ukraine meldet die Lieferung der ersten M1 Abrams. Diese US-Kampfpanzer sollen zusammen mit Leopard 2 aus deutschen Waffenschmieden der ukrainischen Offensive neuen Schwung verleihen. Rußland reagiert darauf mit seinem bewährten T-80. Dieser gehört, wie die Kiew überlassenen Nato-Modelle, zu einer Generation, die im Kalten Krieg entworfen und gebaut wurde und seither in zahlreichen Kriegen von unterschiedlichen Ländern eingesetzt wurde. Alle drei Kampfpanzer wurden mehrfach modernisiert. Deswegen sind sie auch keine „Panzer-Oldtimer“ oder „Retro-Modelle“.

Der ursprünglich sowjetische T-80 ist noch immer einer der mächtigsten Kampfpanzer der russischen wie ukrainischen Armee und in seinen modernen Varianten dem Leopard 2 durchaus ebenbürtig. Die Ukrainer haben den in Charkow produzierten T-80-UD (mit Dieselmotor) an Pakistan geliefert und modernisiert als T-84 Oplot (Bulwark/MBT) für die eigene Armee produziert sowie nach Thailand und sogar in die Türkei verkauft. Die russische Armee, die nach 1991 den Großteil des sowjetischen Materials übernommen hatte, setzte die riesigen T-80-Bestände in den beiden Tschetschenienkriegen ein, investierte hingegen wenig in die Modernisierung.

1.250 PS Motorleistung und eine Geschwindigkeit von 80 km/h

Im Ukraine-Krieg wurden inzwischen Hunderte russische T-80 vernichtet. Deswegen ist die Ankündigung von Alexander Potapow, Chef des Rüstungskonzerns Uralwagonsawod (im Zweiten Weltkrieg T-34-Lieferant und heute der größte Panzerbauer der Welt, Rußland wolle den 22 Jahre lang nicht mehr produzierten T-80 wieder vom Band laufen lassen, nicht überraschend. Bereits 2016 hatten russische Medien berichtet, daß 3.500 eingelagerte T-80BW aus den Depots geholt und ertüchtigt werden sollen. Ein Jahr später wurden die Kampfpanzer als T-80BWM im Raum St. Petersburg vorgestellt.

Turm und Fahrgestell waren mit moderner Relikt-Reaktivpanzerung versehen, eine neue Feuerleitanlage mit Tracking-Funktion sowie Digitalrechner war eingebaut worden, und auch der Richtschütze hatte neue Zielgeräte erhalten. Ebenfalls wurden an dem Knickarm-Lader Veränderungen vorgenommen, um die moderne Munition verschießen zu können. An der 125-Millimeter-Glattrohrkanone 2A46M4 hielten die Konstrukteure indes fest. Die Ladeeinrichtung wird hydraulisch und mechanisch betrieben, was einen Notbetrieb ermöglicht. Und: Wie der M1 Abrams ist der T-80BWM mit einer Gasturbine ausgestattet.

Damit hat er nicht nur – nach dem neuen russischen Wunderpanzer T-14 Armata (1.500 PS) – die zweithöchste Motorleistung (1.250 PS), sondern ist auch mit einer Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h der schnellste Panzer Moskaus – und der teuerste im Verbrauch. Etwa 30 Prozent mehr Treibstoff als ein Dieselmotor verbraucht die Gasturbine GTD-1250TF. Dafür kann der T-80BWM aber auch bei minus 50 Grad Celsius aus dem Stand heraus gestartet werden. Die ab 1978 produzierte Gasturbine SG-1000TF für den T-80B hatte nur 1.100 PS. Die Honeywell AGT1500 im M1 Abrams leistet sogar 1.500 PS. Und das teure Wunderwerk aus Alabama kann auch mit Benzin, Diesel, Kerosin und sogar Schiffsdiesel betrieben werden.

Nun herrschen in der Ukraine selbst im Winter nur selten minus 50 Grad, weswegen mit dem T-80BWM vor allem in fernöstlichen Gebieten, in Sibirien und im Raum Murmansk/Kola-Halbinsel stationierte Panzereinheiten damit ausgestattet sind. Murmansk befindet sich nur 150 Kilometer von der Grenze zu den Nato-Mitgliedern Finnland und Norwegen entfernt. Der eisfreie Hafen, über den im Zweiten Weltkrieg die überlebenswichtige amerikanische Militärhilfe für die Sowjetunion lief, sowie die in der Region konzentrierten russischen Atomstreitkräfte gelten aus Sicht Moskaus seit der Nato-Erweiterung als akut gefährdet.

Auf der Halbinsel Kola „befindet sich das Hauptquartier der russischen Nordflotte, die Rußlands fortschrittlichste arktische Land-, Luft- und Seestreitkräfte beherbergt, zu denen insbesondere das Nukleararsenal und die Zweitschlagskapazität gehören“, stellte die US-Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS) bereits 2020 fest. Die Lage der Halbinsel – ein Tor zwischen der Arktis und dem Nordatlantik – und ihre umfangreichen militärischen Einrichtungen würden sie zu einem zentralen Punkt für Rußlands Verteidigung machen. Gleichzeitig konzentrieren sich hier auch Fähigkeiten zur russischen Machtprojektion.

Und genau hier werde es durch den Nato-Beitritt Finnlands eine „frappante Veränderung der geostrategischen Situation auf dem Nuklearsektor geben“, warnte Werner Fasslabend (ÖVP), österreichischer Ex-Verteidigungsminister, im Januar in einem Vortag bei der Diplomatischen Akademie Wien. Für die dünn besiedelte, fast nicht erschlossene Region wäre der T-80BWM mit seiner hohen Geländegängigkeit, Geschwindigkeit und Kaltstartfähigkeit der geeignetste Kampfpanzer. Offenbar läuft die Produktion des Gasturbinenpanzers inzwischen an, allerdings ist unklar, ob es sich um neue Modelle oder runderneuertes Altgerät aus den Depots handelt.

Wärmebildkamera Catherine-FC der französischen Firma Thales?

Aufnahmen eines Transportzuges aus dem Werk Omsktransmasch (sibirische Region Omsk an der Grenze zu Kasachstan) weisen an den Kampfpanzer die markanten Gehäuse auf, die ihre Ausstattung mit Sosna-U-Visieren zeigen, Diese ermöglichen eine Zielerfassung von maximal fünf bis zu sechs Kilometern. Da die Kernkomponente aber die Wärmebildkamera Catherine-FC des französischen Rüstungskonzerns Thales ist, dürfte diese eigentlich für die Russen gar nicht verfügbar sein – es sei denn, es handelt sich um Nachbauten oder illegale Importe.

Unklar ist auch, was eine Wiederaufnahme der T-80-Fertigung für die Produktion des T90M (600 Stück im Jahr; 1993 vorgestellter Nachfolger des Sowjet-Standard-Panzers T-72) und des T-14 Armata bedeutet, die ebenfalls bei Uralwagonsawod gefertigt werden. Reichen die Kapazitäten aus oder wird die Herstellung des vergleichsweise teuren T-90 ausgesetzt? Und was ist aus der geplanten Massenfertigung des Hightech-Panzers T-14 geworden, von dem die Öffentlichkeit kaum mehr weiß, als daß ein Vorserienexemplar während der Parade von 2015 auf dem Roten Platz in Moskau liegenblieb und abgeschleppt werden mußte.

Dmitri Medwedew, Ex-Premier und seit 2020 Vizechef des russischen Sicherheitsrates, hat die Produktion von 1.500 neuen Kampfpanzern „allein in diesem Jahr“ angekündigt. Aber sind es wirklich neu hergestellte Modelle? Rußland wird auf jeden Fall – ebenso wie die in den Nato-Ländern ansässigen Waffenkonzerne – die anhaltende Möglichkeit nutzen, seine Waffensysteme im echten Kriegseinsatz gegen andere Industrienationen zu testen – und die Militärs der ganzen Welt werden interessiert der blutigen Präsentation zuschauen.

So wertet der Westen bereits einen erbeuteten T-90 – für Wladimir Putin der beste Panzer der Welt – aus, während die Russen starkes Interesse haben dürften, einen M1 Abrams zu erbeuten, der angeblich über die beste Zielvorrichtung der Welt verfügen soll. Gespannt sind die Panzerexperten auch auf den ukrainischen BM Oplot (Festung). Vorgestellt erstmals auf der internationalen Rüstungsmesse 2021 in Kiew, ist er eine Weiterentwicklung auf der Grundlage des T-84 Oplot für Thailand. Angeblich soll die Neuentwicklung in Charkow erfolgreich getestet worden sein und das ukrainische Verteidigungsministerium deswegen beim Rüstungskonzern Ukroboronprom eine größere Stückzahl bestellt haben. Offizielle Bestätigungen gibt es dafür aber nicht.

Im Gegensatz zu seinem russischen T-80-Pendant verfügt der BM Oplot über einen völlig neuen Turm mit einem gepanzerten Munitionsfach, womit versehentliche Detonationen der eigenen Munition verhindert werden sollen. Und er hat auch keine Gasturbine als Antrieb, sondern einen 1.200 PS starken Dieselmotor. Der Sowjet-T80-Diesel hatte nur 1.000 PS. Das Getriebe des 51 Tonnen schweren Panzers verfügt über sieben Vorwärts- und fünf Rückwärtsgänge. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h liegt er gleich mit dem Leopard 2, ist aber langsamer als der russische T-80.

US-Kampfpanzer M1A1 Abrams: www.gdls.com/

Russischer Kampfpanzer T-80U: mil.in.ua