© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/23 / 20. Oktober 2023

100 Jahre Republik Türkei: Erdoğan gibt neue Richtung vor
Hindernislauf nach Westen
(dg)

Am 29. Oktober feiert die aus dem Osmanischen Reich hervorgegangene Republik Türkei ihr hundertjähriges Bestehen. Gründungsvater Mustafa Kemal Atatürk stand ein laizistischer Nationalstaat nach westlichem Vorbild vor Augen. Ein Ziel, das bis heute nicht erreicht wurde. Als Haupthindernis auf diesem Weg erwiesen sich jedoch nicht die mehrfach putschenden Militärs. Mächtigster Bremser war Recep Tayyip Erdoğan mit seiner Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), der 2002 erstmals die Parlamentswahlen gewann und Hoffnungen auf wirtschaftlichen Aufschwung weckte. Stattdessen habe er das Regierungssystem seitdem umgebaut und sich nach dem Urteil seiner Gegner als machtversessener Autokrat entpuppt, der die Demokratie sukzessive untergrabe, weil er allein dem muslimisch-konservativen Bevölkerungsteil Bürgerrechte zugestehen wolle. Für den Türkei-Experten Günter Seufert ist diese Ausgrenzung von Millionen Türken nur eine Retourkutsche auf die Politik der von Atatürk geprägten alten säkularen Eliten (Aus Politik und Zeitgeschichte, 40/41-2023). Auch sie erklärten ihr Ideal einer aufgeklärten, rein ethnisch-türkischen Nation zur gesellschaftlichen Norm und stellten demokratische Rechte all jener zur Disposition, die ihr, wie orthodoxe Muslime oder Kurden, nicht entsprachen. 


 www.bpb.de