Es gibt wieder einen neuen gesellschaftspolitischen Podcast in Deutschland. Die Audio-Beiträge, in denen prominente und weniger prominente Menschen über Gott und die Welt reden, schießen ja gerade aus dem Netz wie die Pilze aus dem Boden. Selten jedoch kann man das mit dem Philosophieren über Gott und die Welt so wörtlich nehmen wie bei „Gegen den Strom“. Sind die Protagonisten der neuen Reihe doch zwei Schwergewichte des katholischen Konservativismus.
Da wäre zum einen der Journalist Sigmund Gottlieb. Der 71Jährige war von 1995 bis 2017 Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks. Davor war er unter anderem für den Münchner Merkur und das ZDF tätig; damals in den 1980er Jahren als Konservative beim Zweiten noch nicht nur geduldet, sondern erwünscht waren. Gottliebs Gesprächspartner ist Benediktiner Notker Wolf. Dieser wurde in Deutschland als Abtprimas mit der E-Gitarre bekannt, der neben seiner weltweiten Betreuung von Klöstern und 100.000 Mönchen mit seiner Band „Feedback“ und mit Coverversionen von Deep Purple bis Led Zeppelin auch der weltlichen Lust am Rock ’n’ Roll frönte.
In ihrem Podcast der katholischen Wochenzeitung Die Tagespost sprechen die beiden darüber, „wie es wirklich aussieht in Deutschland“. Die Sicht der beiden Bestseller-Autoren, die seit Oktober auch über Radio Horeb live gesendet wird, ist dabei eine in jedem Sinne klassisch konservative. Sie äußern ihre Sorge über die negativen Entwicklungen der woken „Wirklichkeit“ und kritisieren das Schönreden dieser durch den Mainstream. Aber auch das „klassisch konservative“ Naserümpfen über „Verschwörungstheoretiker“ und das Warnen vor der AfD darf natürlich nicht fehlen. Das Anrudern „gegen den Strom“ ist hier eher ein gemächliches Paddeln.
Statt Jammern gute Laune verbreiten
Doch für die Zielgruppe der liberal- bis rechtskonservativen Hörer wird auf entsprechenden Plattformen ja auch noch vieles mehr angeboten – „Rechts“ holt auf bei Audio. Der „Indubio“-Podcast der Achse des Guten und der „TE Wecker“ von Tichys Einblick sind längst ein Klassiker. Bei der JF diskutieren jede Woche die Volontäre im Format „Spaghetti Volognese“, der „Cicero-Podcast“ punktet mit wechselnden Interview-Duos, und der „Krautzone-Podcast“ des gleichnamigen Magazins ist besonders bei jungen Hörern beliebt. Daneben konnten sich im rechten Milieu „Von rechts gelesen“ des Jungeuropa Verlags, der „Kanal Schnellroda“ des Antaios-Verlags sowie die „Lagebesprechung“ des Vereins „Ein Prozent“ auf Spotify und Co. etablieren. Darüber hinaus stellt der österreichische Fernsehsender ServusTV seine Folgen von „Talk im Hangar-7“ als Audiospuren zur Verfügung. Und die Schweizer Weltwoche, die vergangenen Monat eine digitale Deutschlandausgabe gestartet hat, gibt ihren „Daily“-Podcast heraus.
Von der „HonigWave x Honigwabe“ mit den Influencern und Youtubern „Shlomo Finkelstein“ und „KasperKast“ alias „IdiotenWatch“ wurden mittlerweile über 200 Folgen veröffentlicht – in Ton und in Video. Die Belltower News der von Stasi-IM Anetta Kahane gegründeten Amadeu-Antonio-Stiftung bezeichnete die Sendung als „verbale Folter von mehreren Stunden“ – ein Ritterschlag. Kein Wunder, denn Kasper und Shlomo argumentieren sauber, recherchieren gewissenhaft und stoßen immer wieder auf echte Perlen.
Ein Schlag gegen das mediale Establishment gelingt beispielsweise im September 2021. Die Funk-Journalistin Nemi El-Hassan hat palästinensische Wurzeln, trägt Kopftuch, ist redegewandt und dreht – finanziert durch Rundfunkbeiträge – durchaus erfolgreiche Videos mit ihrem Kollektiv, den „Datteltätern“. Sie soll vom Internet in die Flimmerkiste und die WDR-Wissenschaftssendung „Quarks“ moderieren. Wären da nicht Kasper und seine findigen Freunde. Der islamkritische Youtuber Irfan Peci veröffentlicht im „Honigwabe“-Podcast Fotos von Nemi El-Hassan bei den antisemitischen Al-Kuds-Demonstrationen und bespricht ihre Verbindungen zum legalistischen Islamismus. Wenige Tage später springt die Bild-Zeitung darauf an, bis sich der WDR von El-Hassan distanziert und die geplante Kooperation stoppt. Mit freiwilligen Spenden und viel Herzblut gegen eine Mainstreamjournalistin mit mächtigen Unterstützern – ein digitales David gegen Goliath. Zuletzt war Kasper maßgeblich daran beteiligt, den Juni 2023 – in Anlehnung an den „Pride Month“ – zum „Stolzmonat“ auszurufen.
Dabei war der höfliche Berliner Ende 30 nicht immer politisch, es brauchte einen Erweckungsmoment. Während seiner Studienzeit lernte er zusammen mit muslimischen Kommilitonen für eine Klausur. „Wir fingen an, uns über den Islam zu unterhalten“, erzählt Kasper der JUNGEN FREIHEIT. Sein muslimischer Mitstudent habe Argumente für die Existenz des islamischen Gottes geliefert, auf die er keine befriedigende Antwort gehabt habe. Das habe ihn dazu bewegt, sich erneut mit Richard Dawkins und dem Atheismus zu befassen.
Irgendwann sei er auf die Videos des englischsprachigen Youtubers „Atheism is unstoppable“ und anderer Akteure gestoßen und war begeistert. Mit der Zeit hätten sich deren Inhalte vom Atheismus an sich hin zu Islamkritik und Argumenten gegen Politische Korrektheit gewandelt. Er habe sich diese Videos etwa zwei Jahre lang angeschaut, bis er feststellte: „Alter, so was macht ja keiner auf deutsch.“ Seine Schlußfolgerung: „Einer muß es ja machen.“
So etwas ähnliches dachte sich auch Benjamin Niemeyer, als er kürzlich Trigger.FM „on Air“ brachte. Zwar gibt es mit Kontrafunk bereits ein eingespieltes regierungskritisches Radio, aber die „machen Inforadio, viel Sprechanteil, glaubwürdig, wohlgeordnet“, sagt Niemeyer der jungen freiheit. „Wir sind ein Radiosender, wie man ihn sich vorstellt: viel Musik – und die sehr laut. Dazu nur schwer zu bremsende Moderatoren und zwischendrin mal externe Beiträge zur Würzung. Vergessen Sie den Inhaltsbrei, wie es die alten aussterbenden Sender mit ihrem Praktikantenfunk machen. Bei Trigger.FM sagen wir, was die normalen Menschen am Abend untereinander in der Kneipe reden, nehmen vieles nicht zu ernst und wollen nur solche Themen im Programm, wenn hinreichend viele davon getriggert werden.“
Momentan ist das nichtlinke Radio per DAB+ nur im Saarland zu empfangen, aber der 43jährige möchte „das Mikrofon zum Rauchen bringen“ und weitere Moderatoren und Produzenten gewinnen sowie das Sendegebiet erweitern, „indem wir nach und nach weitere Frequenzen erhalten und vielleicht das ganze Bundesgebiet abdecken“.
Trigger.FM will dabei den Auftritt neuer Medien verändern. „Unabhängig von einzelnen lobenswerten Ausnahmen schauen Sie sich doch mal das Gesamtbild der alternativen Medien an: ständig weinerlich, es ist alles schlimm. Wer will denn dieses Gejammer stundenlang ertragen?“, erzählt Niemeyer kritisch im JF-Gespräch. „Im Bemühen, möglichst ernst genommen werden zu wollen, geht die Leichtigkeit verloren. Wenn wir so unsere Überzeugungen vertreten, werden wir niemanden dafür begeistern können.“
Hinzu käme, daß die alten Medien „ein gruseliges Bild von Konservativen“ zeichnen, so daß sie „oft selbst glauben, unbedingt brav, gescheitelt und langweilig sein zu müssen“. Der „Rock ’n’ Roll Way of Life“ sei dabei verlorengegangen: „Genau das ist unser Ding, und das hat wenig mit der Musikfarbe zu tun, sondern mit dem Lebensgefühl.“ Laut Niemeyer könne ein Blick in die USA hilfreich sein. Dortige Konservative präsentierten „ihren Lebensstil positiv und selbstbewußt, lässig und sexy“. Er fordert weniger „vorauseilenden Gehorsam“ und „selbstgewählte Verliererdenke“, sondern stattdessen: „Fangen wir doch einfach mal wieder an, das Leben zu genießen und auch zu zeigen!“