© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 43/23 / 20. Oktober 2023

Wir geben nix
Gesetzentwurf: Auch nach dem Rüffel aus Karlsruhe soll die Desiderius-Erasmus-Stiftung keine Fördermittel bekommen
Christian Vollradt

Kleine Kinder und Politiker haben eines gemeinsam: Sie sind nie schuld. Zumindest nach eigener Überzeugung nicht. Daher ist in der Debatte um das geplante Stiftungsfinanzierungsgesetz viel Eigenlob zu hören. So dankte der SPD-Abgeordnete Johannes Fechner auch gleich allen, die sich „für die politische Bildungsarbeit in Deutschland in den Stiftungen engagieren“, und zählte alle sechs aus dem Bundeshaushalt geförderten parteinahen Vereinigungen (siehe Grafik unten) auf, die „mit vielen spannenden Angeboten für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung werben“. Erst dann kommt Fechner zum Kern: Das Bundesverfassungsgericht habe dem Gesetzgeber aufgegben, daß „wegen der Parteinähe der Stiftungen ein Gesetz erforderlich ist, in dem klar zu regeln ist, unter welchen Voraussetzungen eine Stiftung Geld bekommt oder aber eben nicht“. 

Was der Sozialdemokrat genau wie die anderen Redner der etablierten Fraktionen nicht erwähnt: Es war die allseits geschmähte AfD, die in Karlsruhe diese Notwendigkeit erstritten hat; wobei die höchsten deutschen Richter die bisherige Mittelvergabe sowie den nur per Haushaltsvermerk begründeten Ausschluß der AfD-nahen Desiderius-Ersamus-Stiftung (DES) vom staatlichen Geldsegen als nicht verfassungskonform monierten.  

Staatsrechtler spricht von  „verbotenem Einzelfallgesetz“

„Dreißig Jahre lang hat eine Hinterzimmergruppe jedes Jahr bis zu 700 Millionen Euro vollkommen intransparent unter sich aufgeteilt“, warf AfD-Haushaltspolitiker Peter Boehringer den Kollegen „aller Altparteien“ im Plenum vor und spielte damit auf die Praxis an, bei der Vetreter der sechs parteinahen Stiftungen in einer informellen Abstimmungsrunde ihren Förderbedarf abmeldeten, der dann spätestens in der nächtlichen Bereinigungssitzung vor der abschließenden Haushaltsberatung vom Bundestag umgesetzt wurde. Auf den Vorwurf der Mauschelei reagierten die anderen Fraktionen empört.

Nun liegt also ein Gesetzentwurf vor, der im Prinzip am Status quo nichts ändern soll: daß alle wie bisher ihre Globalzuschüsse vom Staat bekommen – nur nicht die AfD-nahe DES. Im Vorfeld wurde lange hinter den Kulissen gerungen. Die Ampel-Koalition wollte eine All-Parteien-Allianz (natürlich ohne AfD), die Union aber auf keinen Fall gemeinsam mit der Linksfraktion unter einem Antrag stehen. Formal ist dem Rechnung getragen worden, die Linke fehlt auf dem Entwurf. Laut der geplanten Neuregelung gehört zu den Voraussetzungen einer Förderung, daß die Abgeordneten der einer politischen Stiftung jeweils nahestehenden Partei in der mindestens dritten aufeinanderfolgenden Legislaturperiode in Fraktionsstärke in den Bundestag eingezogen sind. Bislang lag das Richtmaß bei zwei Legislaturperioden. Außerdem müsse die Stiftung die Gewähr bieten, nicht nur auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen, sondern „für die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie für den Gedanken der Völkerverständigung aktiv einzutreten“. Als Ausschlußkriterium gelten demnach Veröffentlichungen, deren Inhalte die Erwartung begründen, daß die Stiftungsarbeit dem nicht dienlich sei oder „die Mitwirkung, Beschäftigung oder Beauftragung von Personen, die die inhaltliche Arbeit der Stiftung wesentlich beeinflussen können, wenn bei ihnen ein hinreichend gewichtiger Verdacht besteht, daß sie verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen“. Eine Ausrichtung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung werde zudem angenommen, „wenn die politische Stiftung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall oder als gesichert extremistisch eingestuft wird“.  

Kein Wunder, daß der Verfahrensbevollmächtigte der AfD, Ulrich Vosgerau, in diesem Stiftungsfinanzierungsgesetz „ein verbotenes Einzelfallgesetz“ sieht, das „einzig und allein den Regelungsgegenstand hat, daß wie bereits bisher alle parteinahen Stiftung gefördert werden, nur die DES nicht“. Vor allem an der Frage, wie und von wem überhaupt eine vermeintliche oder tatsächliche Ausrichtung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung festgestellt wird, entzündet sich die Kritik der AfD (siehe nebenstehendes Interview). Entlarvend ist, daß mit dem neuen Gesetz alte Besitzstände auf jeden Fall gewahrt bleiben, folgender Passus: „Wurde eine politische Stiftung bereits über mindestens zwei aufeinanderfolgende Legislaturperioden gefördert, ist es unschädlich, wenn die nahestehende Partei für die Dauer einer Legislaturperiode nicht im Deutschen Bundestag vertreten ist.“ Das ist klar auf FDP und Linke gemünzt, die dieses Schicksal bereits ereilte beziehungsweise zu ereilen droht. 

Allerdings könnte es zumindest für die Rosa-Luxemburg-Stiftung ungemütlich werden, wenn anhand der Förderkriterien genauer hingeschaut würde. So war beispielsweise einer ihrer früheren Referenten 2017 an der Koordination einer gewaltsam verlaufenen lionksradikalen Großdemonstration gegen den G20-Gipfel in Hamburg beteiligt. Bei einem niedersächsischen Ableger der Stiftung referierte 2007 der ehemalige RAF-Terrorist Karl-Heinz Dellwo, und der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen stufte einst die von der Stiftung herausgegebene Zeitschrift UTOPIEkreativ als linksextrem ein.