© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/23 / 13. Oktober 2023

Frisch gepreßt

Natur und Geschichte. Den Einfluß der Natur auf den Gang der Weltgeschichte bewiesen die 1812 und 1941 am russischen „General Winter“ gescheiterten Feldzüge Napoleons und Hitlers. Die jedoch wie alles andere, was man im politikfixierten Geschichtsunterricht lernt, fast aufs Format von Oberflächenphänomenen schrumpfen, verglichen mit dem, was der britische Globalhistoriker Peter Frankopan (Oxford) in seinem in der Altsteinzeit vor 14.000 Jahren einsetzenden Epos über die Wechselbeziehung zwischen Mensch und Umwelt an Material ausbreitet. Um nur eine kleine Auswahl zu nennen: Antike Kulturen gehen infolge von Dürren und Hungersnöten unter, die Völkerwanderung germanischer Stämme lösen sinkende Temperaturen in Nordeuropa aus, der die Sonne verdunkelnde Ausbruch des im heutigen Indonesien gelegenen Vulkans Tambora (1815) verursacht Ernteausfälle in Europa. Weltgeschichte erscheint in diesem weite Horizonte öffnenden Werk in einem faszinierend neuen Licht. Doch wenn sich der Autor dem mit der Industrialisierung anhebenden Erdzeitalter des Anthropozän nähert, übernimmt der Mensch die Rolle des Hauptakteurs im Wechselspiel mit der Natur. So daß die Darstellung für das 19. und 20. Jahrhundert einer „Globalgeschichte der europäischen Expansion“ nach dem Vorbild Wolfgang Reinhards gleicht, bevor sich Frankopan ausführlich dem „menschengemachten Klimawandel“ widmet. (dg) 

Peter Frankopan: Zwischen Erde und Himmel. Klima – Eine Menschheitsgeschichte. Rowohlt Verlag, Berlin 2023, gebunden, 1.023 Seiten, Abbildungen, 44 Euro





Geopolitik in Osteuropa. Nach Ansicht des Publizisten Stefan Korte „ist es in gewisser Hinsicht entlarvend“, daß USA, Nato, EU und Bundesregierung zwar ständig vom Frieden sprechen, doch alles, was sie dafür tun, dazu führe, die Lage der Menschen in der Ukraine zu verschlechtern: „Jeder Schritt des Westens seit Ausbruch des Krieges war ein Schritt weiter in die Eskalation.“ Geopolitische Hauptnutznießer dieser gefährlichen Entwicklung wären im Fall eines unwahrscheinlichen Sieges der mit Nato-Waffen hochgerüsteten Ukraine die USA und Polen. Die Hauptverlierer hießen Ukraine und Deutschland, deren Zustand als Protektorate der USA festgeschrieben werden würde. Der erste Schritt zur Beendigung des Krieges und zum Aufbau eines stabilen Europa wäre es, die raumfremde Macht USA aus Europa herauszudrängen. Dazu bedürfte es auch der demokratisch legitimierten Ablösung der Berliner Politikerkaste, die sogar noch bei der „Aufklärung“ des Anschlags auf die Gaspipeline in der Ostsee den Anschein erwecke, als Mitwisser und Komplize des Washingtoner Hauptverdächtigen zu handeln. (ob)

Stefan Korte: Geopoli­tische Umwälzungs­prozesse in Osteuropa. Hintergründe und Bedeutung für den Kontinent. Eine deutsche Sicht. ­Legatum Publishing AS, Bergen (NOR) 2023, broschiert, 234 Seiten, 27 Euro