© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/23 / 13. Oktober 2023

Gehypte X-Alternative
Bluesky soll Elon Musks Kurzmitteilungsdienst verdrängen: Doch die Aufholjagd verläuft holprig
Christian Schreiber

Seit der Übernahme von Twitter durch den US-Milliardär Elon Musk wurde der Untergang des Kurzmitteilungsdienstes, der mittlerweile X heißt, öfter vorhergesagt. Doch obwohl einige Prominente den Absprung von der Social-Media-Plattform vollzogen haben, ist X nach wie vor der Marktführer. Gerade in der deutschen politmedialen Szene, die sich an Musks vermeintlich „rechtem“ Kurs stört, wächst nun das Interesse an einem weiteren Alternativ-Netzwerk mit Namen Bluesky, der buchstäblich als Twitter-Ableger gestartet war. Schon vor Musks Twitter-Kauf wurde das Projekt jedoch ausgegliedert und ist inzwischen selbständig. 

Der ursprüngliche Gründer Jack Dorsey, einer der Männer der ersten Twitter-Stunden, sitzt mittlerweile im Verwaltungsrat, gilt aber weiterhin als Kopf des Unternehmens. Im Gegensatz zu X ist es nicht ganz einfach, Mitglied beim Konkurrenten zu werden. Man kann sich entweder auf eine Warteliste setzen lassen oder muß sich im Bekanntenkreis umhören, ob nicht irgendwer bereits bei Bluesky ist. Damit will die Plattform eine Beeinflussung von politischen Gruppen oder ausländischen Diensten verhindern. 

Ganz frei von Manipulationsversuchen ist das neue Angebot freilich nicht. Derzeit werden in Internetforen Accounts gegen Geld verkauft. Das widerspricht dem Ansatz von Dorsey, ein „sauberes Netzwerk“ zu werden. Er setzt aber ohnehin auf ein langsames Wachstum. Twitter hatte in seiner besten Zeit mehr als 230 Millionen Accounts, Bluesky kratzte kürzlich erst die Ein-Millionen-Marke. Doch nicht nur in nomineller Hinsicht gestaltet sich die Wachstumsphase schwierig, bei der Installation einer Suchfunktion gab es erbitterten Streit. Nun gibt es eine, die allerdings nur Inhalte finden soll, die eigens dafür freigegeben wurden. Die Möglichkeit, mittels Direktnachrichten mit anderen Nutzern zu kommunizieren, gibt es nicht. 

Und noch eins ist auffällig: Bei aller Kritik an X ist die Plattform bis heute ein wichtiger Kommunikationsfaktor für Politiker und Journalisten. Bei Bluesky sucht man eine nennenswerte Zahl an Prominenten bislang vergeblich; auch wenn insbesondere deutsche Stellen den Dienst bewerben und das Auswärtige Amt sowie das Bundeswirtschafts- und das Umweltministerium ein Profil eröffnet haben. Wie die Plattform mit grenzwertigen Inhalten umgehen will, ist allerdings noch völlig unklar. Außerdem rätseln Branchen-Kenner darüber, ob das Geld der Investoren ausreicht.