© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/23 / 13. Oktober 2023

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Der zukünftige hessische Ministerpräsident Boris Rhein hat angekündigt, daß seine Partei – die CDU – in der nächsten Legislaturperiode für eine klar „konservativ“ ausgerichtete Politik stehe, was man vor allem an Fragen der Migration und der Inneren Sicherheit sehen werde. Man darf sehr gespannt sein, wie die praktische Umsetzung im Bündnis mit Grünen oder Roten ausfällt, da die Blauen ja nicht in Frage kommen sollen.

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Das Problem ist nicht, daß Katrin Göring-Eckardt (Grüne) jetzt für mehr Grenzschutz, Kontingente und Rückführungen plädiert, um die „Unordnung“ zu bewältigen, die durch illegale Migration entsteht. Das Problem ist, daß man ihr das durchgehen läßt, sie nicht an ihre und die Mitverantwortung ihrer Partei erinnert und sogar akzeptiert, wenn sie wieder die alte Leier anstimmt von den humanitären Verpflichtungen, die Vorrang genießen, von der Notwendigkeit, die Individualrechte der Illegalen beim Grenzübertritt zu schützen, einen Verteilungsschlüssel in der Europäischen Union zu kreieren und Abschiebungen, wenn’s denn wirklich gar nicht anders geht, auch tatsächlich durchzuführen.

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Erwägenswert: „Stellen Sie sich das […] vor, hätte das jemand mit Ihnen gemacht: Ihnen die meistgeschätzten Artefakte Ihrer Zivilisation entrissen und in einen ganz anderen Kontext verbracht. Als würde Rückgabe das ungeschehen machen. Müßten die Länder nicht die tatsächlichen Kosten erstatten, die den Beraubten durch diese illegalen Entwendungen entstanden sind?“ (Mokgweetsi Masisi, Präsident der Republik Botswana)

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Für die Art und Weise, in der das politische wie das mediale Establishment auf die Bedrohung von Alice Weidel und die Attacke auf Tino Chrupalla reagiert hat, gibt es zwei Erklärungen: erstens die Hors-la-loi-Setzung, das heißt der Entzug rechtlichen Schutzes, der normalerweise demjenigen zusteht, der – als Mitbürger – solchen Schutz genießen sollte; zweitens die Annahme, daß man – trotz aller politischen Horrorszenarien, die man dem dummen Volk ausmalt – die Verkehrung der Machtverhältnisse für ausgeschlossen hält, also nicht fürchten muß, jemals in eine vergleichbare Lage zu geraten.

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„Wir sehen also, daß die Rassenkunde reich an interessanten Gesichtspunkten im Hinblick auf das Selbstverständnis des Menschen, aber auch an nicht oder kaum lösbaren Problemen ist. Trotz ihres fortgesetzten Mißbrauches in politischem Zusammenhang kann nicht behauptet werden, sie sei überflüssig oder erschöpft. Vielmehr wird sie bei der Lösung sozialer und medizinischer Probleme weiter eine wichtige Rolle spielen.“ (Wolfgang Kretschmer, Professor der Psychiatrie, in einem Beitrag für das Handbuch Neue Anthropologie, herausgegeben von Hans-Georg Gadamer und Paul Vogler, erschienen 1972)

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Als Angehöriger der First Nations in Europa wünsche ich keine Belehrung von irgendwelchen Farbgesichtern, die später hier hergekommen sind.

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„Nun wissen wir ja, wo die Didaktiker seit langem sind, nämlich uns weit voraus in den Phantasiewelten einer Disziplin, die sich die Schüler, die Lehrer und den Klassenraum ausdenkt, aber nicht kennt.“ (FAZ-Mitherausgeber Jürgen Kaube)

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Die üblichen Kommentare zur wachsenden Unterstützung für die AfD sind deshalb so öde, weil dauernd alle möglichen Argumente bemüht werden, aber nie die ausschlaggebenden: In einer Demokratie gibt es auf Dauer kein politisches Vakuum; droht es zu entstehen, füllt es eine Partei, die bietet, was bisher nicht geboten wurde. Und: Jede Staatsordnung unterliegt einer Art natürlichem Verschleiß an Institutionen und Personal. Wenn alles gut läuft, wird das eine wie das andere durch frische Kräfte erneuert.

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Der Angriff der Hamas aus dem Gaza-Streifen auf Israel hat eine merkwürdige geopolitische Tiefendimension. Denn Gaza gehörte am Ende der Bronzezeit, also vor etwa dreitausend Jahren – gleich Aschdod und Askalon (beide heute auf dem Territorium Israels), Gad und Ekron (bereits in der Antike untergegangen) – zum Fünf-Städte-Bund der Philister. Die hatten sich dort wohl im Gefolge des „Seevölkersturms“ festgesetzt und die Küstenregion unter ihre Kontrolle gebracht. Für Generationen waren die Philister die Erbfeinde Israels, das sich ihrer nur erwehren konnte, indem es deren überlegene Waffentechnologie übernahm. Dann verschwanden die Philister in den Kriegen, die von den Flankenmächten geführt wurden, bei denen Israel und seine Nachbarn nie mehr als Durchgangs- oder Aufmarschgebiet waren. Zuletzt traten die Römer das Erbe der älteren Imperien an. Sie hatten allerdings wenig Freude an ihrer Provinz „Judäa“. Und nach der Niederschlagung des letzten jüdischen Aufstands entschlossen sie sich, auch deren Namen auzutilgen. Das Land erhielt für die Zukunft die Bezeichnung „Philistäa“, wovon sich auch das Wort „Palästina“ ableitet, wenngleich dessen Einwohner schon in der Antike und erst recht heutigentags nichts mehr mit den Philistern zu tun haben.


Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 27. Oktober in der JF-Ausgabe 44/23.