© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/23 / 13. Oktober 2023

Menschliche Schreibautomaten sehen sich durch KI bedroht
Am Fließband Serienmüll produziert

Auch im Mutterland des „Raubtierkapitalismus“ gibt es noch Gewerkschaften, die sich am „Kampftag der Arbeiterklasse“ (SED) zu Wort melden. Den konnte die Gewerkschaft der Autoren der amerikanischen Film- und TV-Industrie in diesem Jahr am 1. Mai nutzen, von Netflix, Amazon, Disney & Co. die Verpflichtung zu verlangen, auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) weitgehend zu verzichten. Um das sicherzustellen, sei die Kontrolle über die KI in Autorenhand zu legen. Den Ästhetik-Professor Pierre-Héli Monot (Uni München) erinnert dieser mitten im Prozeß der vierten industriellen Revolution organisierte Vorstoß an die Maschinenstürmerei zu Beginn des Industriezeitalters im 19. Jahrhundert. Denn gerade die Autoren-Gewerkschaft wisse, in welchem Umfang KI heute bereits fester Bestandteil zahlreicher Produktionsabläufe sei: Sie besorge das Grobe, skizziere Dialogfetzen, generiere Namen für Nebenfiguren, bringe Notizen in Form. Und mit jedem Update der Chatbots wachse der Fußabdruck, den die KI in der Literatur der globalen Film- und Fernsehindustrie hinterlasse. Abgesehen von diesem technischen Aspekt, mute es grotesk an, wenn ausgerechnet dieser Typ von  „Literaturproduzenten“ ihre „Kreativität und Souveränität“ durch die KI-Konkurrenz bedroht sehe. Handle es sich doch um „schreibende Menschen“, die der „Bewußtseinsindustrie“ (Hans Magnus Enzensberger) seit Jahrzehnten automatenhaft standardisierten, auf wenig „Hirnzeit“ zugeschnittenen „Serienmüll, Sitcom-Müll, Talkshow-Müll, Streaming-Müll“ lieferten. Und damit die Voraussetzung schufen, um ihre Arbeitsplätze nun „technologisch zu transformieren“ (Merkur, 8/2023).  


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