Energiewende, Corona, Green Deal der EU, Sanktionen und Ampelkoalition – die Deindustrialisierung Deutschlands schreitet voran. Der Internationale Währungsfonds korrigierte seine Prognose: Die deutsche Wirtschaft werde 2023 nicht um 0,3, sondern um 0,5 Prozent schrumpfen. In den USA werde das Bruttoinlandsprodukt hingegen um 2,1 Prozent wachsen – 0,3 Prozentpunkte mehr als bislang erwartet. Der Verband des Deutschen Maschinen- und Anlagenbaus (VDMA) ist dennoch optimistisch: „Für eine breite Deindustrialisierung des Lands gibt es bisher keine Belege“, erklärte VDMA-Präsident Karl Haeusgen.
Der Aufsichtsratschef des Hydraulikherstellers Hawe spricht aber nur für seine Branche. Und ein Teil der 3.600 VDMA-Mitgliedsfirmen verdient prächtig an der politisch initiierten Nachfrage nach „klimafreundlichen Energietechnologien“. Für die Chemie-, Stahl- oder Autoindustrie sieht es anders aus. Seit 1998 wurden in Deutschland jährlich über fünf Millionen Pkws gebaut – nur 2009 gab es einen temporären Einbruch. Seit 2019 geht es kontinuierlich bergab: 2022 verließen nur noch 3,4 Millionen Pkws die deutschen Werke. Am schlimmsten steht es um Ford. Seit 1970 sind in Saarlouis über 15 Millionen Fahrzeuge vom Band gelaufen. Doch Mitte 2025 wird die Focus-Produktion im Saarland eingestellt. Und vorige Woche verkündete Ford-Deutschland-Chef Martin Sander: „Die Gespräche mit dem Ankerinvestor sind zu einem Ende gekommen und werden nicht fortgeführt.“ Sprich: Es wird keine Ersatzlösung für die 4.500 Ford-Mitarbeiter und die 1.500 Beschäftigten bei Zulieferern geben. Der mutmaßlich chinesische „Großinvestor“ sollte 2.500 Arbeitsstellen sichern.
Die meisten Betroffenen werden sicherlich nicht in einer der grün-optimistischen VDMA-Firmen unterkommen. Auch die Fordianer im Werk Köln-Niehl, wo bis Juli der Fiesta gebaut wurde, haben Sorgen. Ab Oktober sollte dort der neue Elektro-SUV Explorer vom Band laufen – mit zugekauften Komponenten aus dem VW-Konzern. Doch der große Konkurrent hat selbst Absatzsorgen mit seinen elektrischen ID-Modellen. Nun soll es im Sommer 2024 soweit sein – wenn bei Ford nichts mehr dazwischenkommt. Denn E-Autos aus China sind viel billiger. Und die gefragten Ford-Verbrenner kommen aus Rumänien, Spanien und der Türkei.