Riesengedränge im Zugangsbereich zum historischen Zentrum von Porto Seguro. Überall stehen Autos, Busse kommen und fahren weg in hoher Frequenz. Zwei Wochen lang ist Jahrmarkt in der vor allem bei Brasilianern populären Touristenmetropole.
Die sonst kaum benutzte Zufahrtsstraße zur Altstadt platzt heute aus allen Nähten. Überall sieht man Buden und Verkaufstische vollgestopft mit Waren aller Art: Küchenartikel, Teller, Bestecke, Gläser, Spielsachen, Messer in allen Größen und für alle denkbaren Zwecke, Lebensmittel, Kopfbedeckungen, Billigschmuck, vor allem aber Kleider. Die Kleidungsstücke werden zu Preisen von umgerechnet 1, 2 oder 3 Euro angeboten. Es handelt sich hauptsächlich um Unterwäsche, Strümpfe, Shorts, kurze Röcke, T-Shirts – mit einem Wort um Massenware. Das Gedränge gerade an diesen Ständen ist wirklich beängstigend. In mehreren Reihen stehen die Käufer vor gewaltigen Haufen von Kleidungsstücken, ziehen einzelne davon heraus, begutachten sie kurz und stopfen sie dann entweder in mitgebrachte Plastiksäcke oder legen sie zurück. Da es mir schleierhaft ist, wie man angesichts eines solchen Durcheinanders den Überblick behält, frage ich eine Verkäuferin, wie sie das alles kontrollieren kann. „Wir stellen uns auf einen Stuhl und beobachten von dort aus das Geschehen“, meint sie optimistisch.
Marktschreier sorgen für ohrenbetäubenden Krach, doch viele Lateinamerikaner sind völlig lärmresistent.
An einer Stelle errichtet ein Verkäufer eine Imbißbude mit einigen Plastiktischen und -stühlen. Trotz des geschäftigen Treibens sitzt dort kaum jemand, die Menschen sind viel zu sehr mit ihren Einkäufen beschäftigt, als daß sie sich durch einen Snack ablenken ließen. Ich setze mich hin, um die Leute etwas in Ruhe zu beobachten. Wobei das Wort Ruhe an dieser Stelle relativ ist. Vor allem die Inhaber der Kleiderstände preisen ihre Waren mittels Megaphonen in einer Lautstärke an, die die Gehörgänge arg traktiert.
Hinzu kommt, daß jeder den Nachbarn bezüglich Lautstärke übertrumpfen will. So entsteht ein Getöse, bei dem man sein eigenes Wort kaum mehr versteht, geschweige denn die Propaganda der Schreihälse. Aber viele Lateinamerikaner sind bekanntermaßen lärmresistent und stören sich daher nicht an dem Radau.
Der Jahrmarkt vertrieb die sonst hier anzutreffenden Touristen. Diese werden von ihren Touristenführern stattdessen außen herumgeführt, um ins historische Zentrum gelangen zu können. Von dort aus hat man eine unvergeßliche Sicht auf das unten liegende Meer. Es funkelt und glitzert in zahlreichen Türkis- und Blauschattierungen. Darüber der azurblaue Himmel mit leichten Wolken verziert und die weiße Gischt, die sich am vorgelagerten Riff bricht. Für diese Schönheiten der Natur haben die Käufer auf dem Jahrmarkt freilich keine Augen. Ihre Interessen sind andere.