© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 42/23 / 13. Oktober 2023

Das Vertrauen ist weg
Ecuador: In dem von Bandengewalt gezeichneten Land wird am 15. Oktober gewählt / Die Regierungsbildung dürfte kompliziert werden
Felix Hagen

In Ecuador hat der liberalkonservative Präsident Guillermo Lasso den Ausnahmezustand um weitere 30 Tage verlängert. Nach der Ermordung des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Fernando Villavicencio im August dieses Jahres hatte der Amtsinhaber per Notstandsdekret Polizei und Militär weitreichende Befugnisse erteilt. Dennoch hält die Gewalt an, zuletzt gelangen den Strafverfolgungsbehörden einige Fahndungserfolge gegen Mitglieder verschiedener krimineller Banden.

Doch vor dem Hintergrund der laufenden Präsidentschaftswahlen kursieren vermehrt Gerüchte um kriminelle Verstrickungen diverser Kandidaten. Vergangene Woche ließ die Staatsanwaltschaft verlauten, ein im Ermittlungsverfahren rund um den Mord am als Zentristen geltenden Villavicencio befragter Zeuge habe den ehemaligen Präsidenten und Parteichef des oppositionellen Bündnisses „Revolución Ciudadana“ (Bürgerrevolution), Rafael Correa, als Kopf hinter dem Anschlag belastet. Ein Vorwurf, den die sozialistisch orientierte Partei zurückweist. Es handle sich dabei „um eine infame Unterstellung“, die darauf abziele, „die Demokratie zu zerstören“, wie die offizielle Stellungnahme der Partei verkündet.

Der Nachfolger des ermordeten Villavicencio, der Journalist Christian Zurita, bezeichnete die Ermittlungen hingegen als „klaren Beweis, daß die Correa-Regierung hinter dem Attentat steht“. Unklar bleibt, warum ausgerechnet Villavicencio als Kandidat der im August noch vergleichsweise schwachen Oppositionspartei MC25 ins Fadenkreuz Correas hätte geraten können.

Während die Revolución Ciudadana seit Beginn der Kampagne in den Umfragen klar führt, wurde ein Wahlsieg von MC25 vor der Ermordung Villavicencios von Demoskopen als viel unwahrscheinlicher bezeichnet. 

Das hat sich nun geändert, in der ersten Runde der Wahl zwischen dem 13. Juli und dem 17. August, kurz nach dem Anschlag, legte MC25 deutlich zu und liegt mit 16,37 Prozent nun auf Platz drei.

Gemeinsam mit dem zweitplazierten „Acción Democrática Nacional“, das auf 23,47 Prozent kommt, könnte ein Mitte-Rechts-Bündnis gegen Luisa González und ihre linke Revolución Ciudadana möglich sein. Die „Bürgerrevolution“ liegt zwar mit 33,61 Prozent vorn, der Abstand ist aber geringer als von den Parteistrategen erhofft. Das wiegt um so schwerer, als daß andere linke Gruppen gegenüber den letzten Wahlen verloren haben. Der Indiosozialist Yaku Pérez, bei den letzten Wahlen noch Drittplazierter, ist mit seiner Partei UP auf unter vier Prozent abgerutscht. Vor ihm liegt mit sieben Prozent der deutschstämmige ehemalige Vizepräsident des Landes, Otto Sonnenholzner, mit seiner sozialdemokratischen „Avanza“-Partei.

Keiner von beiden dürfte für Luisa González ein Wunschpartner sein. Besonders der betont nativistisch auftretende Yaku Pérez wird regelmäßig von Akteuren der „Bürgerrevolution“ verspottet. Sie werfen ihm vor, die Linke gespalten zu haben. Ecuador ist zerrüttet und das Vertrauen der Bürger fast völlig verschwunden. Der Staat setzt auf Masse, fast 54.000 Polizisten sollen den zweiten Urnengang schützen. Mehr Vertrauen dürfte der Anblick schwer bewaffneter Militärs nicht schaffen.