Daß ein hoher Beamter in leitender Funktion vorzeitig in den Ruhestand geht, hat an und für sich noch keinen Nachrichtenwert. Ganz anders im konkreten Fall des Polizeipräsidenten von Oldenburg im Norden Niedersachsens. Denn Johann Kühme, der gerade sein um ein Vierteljahr vorverlegtes Ausscheiden bekanntgegeben hat, sieht sich mit einer Klage der AfD konfrontiert. Die will gerichtlich feststellen lassen, daß sich der Polizeipräsident in einem Interview rechtswidrig über die Partei geäußert habe (JF 37/23). SPD-Mitglied Kühme hatte im Gespräch mit der Nordwest-Zeitung behauptet, die Oppositionspartei verbreite Lügen, um in der Bevölkerung Ängste zu schüren: „Die AfD manipuliert das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen. Und damit stellt sie sich gegen die Arbeit der Polizei.“
Nicht zum ersten Mal teilte Oldenburgs Polizeichef derart gegen die AfD aus, nicht zum ersten Mal wirft diese ihm vor, er mißbrauche sein Amt und verstoße gegen die gesetzlich gebotene Neutralitätspflicht. Bisher hatte sich Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) stets hinter den hohen Beamten und Parteifreund gestellt. „Es ist Aufgabe der Polizei und erst recht der Führungskräfte, sich für eine wehrhafte Demokratie einzusetzen“, betonte sie.
Auf Anfrage des innenpolitischen Sprechers der AfD-Landtagsfraktion, Stephan Bothe, hatte Behrens’ Behörde zugeben müssen, daß Kühme das Interview in dienstlicher Funktion und in der Dienstzeit gegeben habe. Vor dessen Veröffentlichung habe es jedoch zwischen dem Polizeipräsidenten und der Innenministerin keinen Kontakt gegeben, heißt es in der Antwort des Innenministeriums weiter. Er stehe nach wie vor zu allem, was er über die AfD gesagt habe, betonte Kühme unterdessen. 46 Jahre im Polizeidienst seien eine lange Zeit, so begründete er sein bereits zum Jahresende erfolgendes Ausscheiden. Doch Beobachter sehen durchaus einen Zusammenhang mit möglichen juristischen Folgen seines Interviews. Wann das Verwaltungsgericht Oldenburg über die Klage entscheidet, steht noch nicht fest.
Bemerkenswert ist der ganze Vorgang auch unter einem weiteren Aspekt. Denn vor einem halben Jahr erst hatte Innenministerin Behrens eine grundsätzliche Änderung bekanntgegeben. So sind die Polizeipräsidenten – wie früher schon einmal – keine politischen Beamten mehr, sondern sogenannte Laufbahnbeamte. Für deren Auswahl sollen in erster Linie Eignung, Befähigung und Leistung das ausschlaggebende Kriterium sein. Als bisherige politische Beamte konnten die Chefs der Polizeidirektionen ohne ein langwieriges Auswahlverfahren berufen werden, weil es vor allem auf das besondere Vertrauensverhältnis zur jeweiligen Ministeriumsspitze ankam. Im Gegenzug konnten sie aber auch jederzeit ohne Begründung in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden, sobald das Vertrauensverhältnis gestört oder nicht mehr vorhanden war. Behrens’ langjähriger Amtsvorgänger, der jetzige Bundesverteidigungsminster Boris Pistorius (SPD) hat davon seit 2013 in drei Fällen Gebrauch gemacht. Im Gegenzug für mehr berufliche Beinfreiheit müssen die Polizeipräsidenten nun aber mit einer Gehaltsstufe weniger Vorlieb nehmen.