© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/23 / 06. Oktober 2023

Kabinenklatsch
Zu wem soll ich halten?
Ronald Berthold

Ich gehöre zu jener Hälfte der deutschen Fußball-Fans, die sich endlich mal einen anderen Meister wünscht als die Bayern. Aber was ist die Alternative? Die Werkself aus Leverkusen? Oder die Dosentruppe aus Salzburg, pardon: Leipzig? Mehr und mehr ertappe ich mich dabei, wie ich auch diesen Gegnern gegen die Münchner die Daumen drücke. Dabei halte ich es grundsätzlich mit Traditionsvereinen wie Kaiserslautern, Dresden, HSV, Schalke und natürlich meiner Hertha. Auffällig, daß all die genannten Klubs nicht in der 1. Bundesliga spielen. Bleibt Borussia Dortmund, die aber jedesmal versagt, wenn es um den Titel geht. 

Und wenn ich die Konstrukte Leipzig, Hoffenheim, Wolfsburg mit dem FC Bayern vergleiche, muß ich zugeben, der Rekordmeister ist der einzige Traditionsverein. Seiner kontinuierlichen Arbeit und Leistung, es zum Dauersieger gebracht zu haben, gehört mein aufrichtiger Respekt. Nun muß ich also abwägen zwischen der Langeweile sowie dem Triumphgeheule all der Bayern-Fans, die überhaupt nicht im Freistaat wohnen, sondern auf der Seite der Gewinner stehen wollen, und dem anderen Übel.

Hinzu kommt: Bei Leverkusen habe ich den Eindruck, da spielt eine Reggae-Band. Frisuren, Hautfarben und Herkunft sehen nicht gerade nach traditionsreicher Bundesliga aus. Zuletzt standen drei Deutsche in der Startelf. Bei Leipzig gab es am Sonnabend genauso wenig Einheimische. Aber auch die erste Elf der Bayern, die bisher viel Wert auf Identifikation legten, bestand im Duell gegen Leipzig zu weniger als der Hälfte aus Deutschen. Wahrscheinlich muß ich mich in Zeiten der Globalisierung damit anfreunden. Oder mir ein neues Hobby suchen.