© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/23 / 06. Oktober 2023

„200 Franken sind genug“
Schweiz: Die „Halbierungsinitiative“ will die Rundfunkgebühr drastisch senken
Christian Schreiber

Eine neue Initiative möchte die Rundfunkgebühren in der Schweiz senken – rund fünf Jahre nach dem Scheitern des „No Billag“-Referendums. Und ein erstes Zwischenziel haben die Initiatoren erreicht. Ihr Projekt zur Senkung der Radio- und TV-Gebühren ist zustande gekommen, und der Bundesrat muß sich zur sogenannten Halbierungsinitiative äußern. Das Initiativkomitee, angeführt von Nationalrat Thomas Matter von der konservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), reichte Mitte August bei der Bundeskanzlei über 128.000 Unterschriften der SRG-Initiative „200 Franken sind genug!“ ein. Damit kommt es zur Volksabstimmung über eine Verringerung der SRG-Gebühren. 

Das Volksbegehren will die Radio- und Fernsehgebühren von 335 Franken pro Haushalt und Jahr auf 200 Franken senken. Die Initianten argumentieren, die Schweiz habe die weltweit höchsten geräteunabhängigen Gebühren – trotzdem lasse die Qualität „zu wünschen übrig“. Alleinlebende und Junge, die oft wenig verdienen und ohnehin kaum mehr klassisches TV schauen, sollen zudem entlastet werden. Die Halbierungsinitiative wurde von der SVP, dem Schweizerischen Gewerbeverband (SGV) und den „Jungfreisinnigen“, der FDP-Jugendorganisation gestartet. Im März 2018 hatten die Schweizer die „No Billag“-Initiative mit 71,6 Prozent abgelehnt. Sie wollte die Gebühren ganz streichen.

Die Positionierung der FDP sorgt für Hoffnung und Kritik

„Es handelt sich um eine überparteiliche Initiative, auch Leute aus der Mitte und der FDP sind mit dabei. Die ‘No Billag’-Initiative hätte die SRG faktisch abgeschafft. Das wollen wir nicht. Wir wollen eine moderate Gebührenkürzung und die Wirtschaft entlasten. Das Gewerbe zahlt inzwischen fast 200 Millionen Franken Gebühren pro Jahr für die SRG“, erklärt Matter das jetzige Vorhaben. Die Initiatoren betonen, Arbeitgeber und Gewerbetreibende würden doppelt zur Kasse gebeten. „Die Betriebe zahlen eine umsatzabhängige SRG-Gebühr, schnell mehrere tausend Franken. Dies, obwohl alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber schon als Privatpersonen die Abgabe von 335 Franken zahlen“, heißt es in einem Positionspapier und auf srg-initiative.ch. Für Matter eine „unzulässige Doppel-Belastung.“ Teilweise kommen die Argumente aber auch etwas plakativ daher. 

Gegen die Halbierungsinitiative agiert neben dem Kulturschaffenden-Dachverband Suisseculture die Kampagne „Allianz pro Medienvielfalt“. Sie wirft ihren Gegnern Populismus und einen Rachefeldzug gegen den Staatsrundfunk SRG nach dem Scheitern der „No Billag“-Initiative vor. Die SRG-Spitze habe in den letzten Jahren mit ihrem Sparprogramm und der Transformation in ein digitales Medienhaus nicht immer eine glückliche Hand bewiesen, räumt die „Allianz“ zwar ein.  „Aber es wäre falsch, deswegen die Mittel für das Programm drastisch zu kürzen. In der kleinräumigen und viersprachigen Schweiz lassen sich überzeugende Nachrichten- und Hintergrundformate nicht am Markt finanzieren“, heißt es. 

Doch eines ist diesmal anders. 2018 war die SVP mit ihrer Attacke auf den „Staatsfunk“ alleine auf weiter Flur. Nun zeigt sich bei der neuen Initiative, die „nur“ eine Reduzierung fordert, ein anderes Bild. FDP-Präsident Thierry Burkart sagte kürzlich: „Ich stelle an unserer Basis eine große Unzufriedenheit fest, weil Berichterstattung und Themensetzung bei SRF sehr stark links gefärbt sind. Ich weiß wirklich nicht, wie unsere Delegierten entscheiden werden und habe mich selbst noch nicht festgelegt.“ Die Mitte-Partei, in der Schweiz auch „Die Freisinnigen“ genannt, ist in dieser Frage gespalten. Während Parteichef Burkart deutliche Sympathien für die Halbierungs-Befürworter erkennen läßt, stehen an der Spitze der „Allianz“ ebenfalls einige FDP-Personalien. 

In der Schweiz, in der die politische Klasse eher auf laute Töne verzichtet und auf Konsens setzt, ist die Aufregung verhältnismäßig groß. Sozialdemokrat Jon Pult, Präsident der Medienkommission im Nationalrat, stellte empört fest, „daß offenbar ein großer Teil der freisinnigen Fraktion bereit ist, eine wichtige Institution unserer Demokratie zu zerschlagen“. Er hätte sich von der Staatsgründerpartei „im Zeitalter der Desinformation“ mehr erhofft. Bevor es zur Abstimmung kommt, kann das Parlament einen Gegenvorschlag einbringen. Dem sehen alle Beteiligten entgegen. „Ob es einen Gegenvorschlag gibt – und wie dieser aussieht –, wird für uns relevant sein. Generell müssen wir uns sehr genau überlegen, welche Rolle ein zwangsfinanziertes Medienhaus in einer sich wandelnden Medienlandschaft haben muß“, sagte FDP-Chef Burkart.