Mein künstlerisches Interesse“, sagt der Regisseur Edgar Reitz, „geht im Grunde immer noch aus dem Verlangen hervor, dem flüchtigen täglichen Leben dauerhafte Präsenz außerhalb der Zeit zu verschaffen.“ Das diesen Zweck der Kunst, in ihren Werken den Tod zu überwinden und die Endlichkeit unseres Seins zum permanenten Thema zu machen, am besten erfüllende Medium ist für den heute 90jährigen Reitz der Film. Es lag daher für den Sohn eines Uhrmachers nahe, seine monumentale TV-Serie „Heimat“ (1984–2004), der über Generationen hinweg erzählten Bildchronik des fiktiven Hunsrück-Dorfes „Schabbach“, als cineastische Suche nach der verlorenen Zeit zu inszenieren. Der Publikumserfolg, erinnert sich der im Hunsrück geborene Filmemacher, habe nicht daran gelegen, auf behutsame Weise, realistisch und poetisch, deutsche Geschichte zu zeigen, wie sie sich in der Provinz vollzog und somit den „kollektiven Erinnerungsdeckel“ zu öffnen. Nicht den „Schuldkult“ habe er bedienen wollen, um das Verdrängte zu vergegenwärtigen. Zentrales Motiv sei vielmehr gewesen, dem gelebten Leben mit der Kamera zu folgen, um im Film der „Vergänglichkeit des Erlebens etwas entgegenzusetzen“. In Angriff nehmen ließ sich das 60 Sendestunden umfassende Projekt jedoch nur, als das Fernsehen noch einen Bildungsauftrag hatte. Nach 1989 kam es mit der Konkurrenz der Privaten zur Ausrichtung an der Quote, und „Niveausenkung wurde zum Programm erhoben“. 1992, als die zweite „Heimat“-Staffel im TV lief, habe sich diese deutsche Chronik im Umfeld von 50 Kanälen daher nicht mehr so wirkungsvoll plazieren lassen wie 1984 (Lettre International, 142/2023).