Der Flug nach Peru wirkt wie ein Langfilm, der nur drei Farben kennt. Nach acht Stunden marineblauem Atlantik schiebt sich der endlose grüne Regenwald ins Bild, um schließlich dem Braun der baumlosen Anden zu weichen. Von oben wirkt Lima staubtrocken wie die Umgebung, nur wenig Grünfläche lockert das endlose graue Häusermeer auf. Wie in den Nachbarländern wird das urbane Bild vor allem von unansehnlichen Ziegelsteingebäuden dominiert, die von einem dünnen Betongerippe getragen werden. Die Altstadt ist zwar recht groß, wirkt in ihrer Bausubstanz aber teilweise jüngeren Datums. Wie vieles andere, sollte ich auf meiner Reise merken, lassen sich europäische Kategorien nicht einfach auf den amerikanischen Kontinent übertragen. Das architektonische Juwel ist der Hauptplatz mit der Kathedrale aus der Kolonialzeit und dem Präsidentenpalast. Ich komme zufällig zur richtigen Zeit. Es ist Sonntag um 12 Uhr und die Ehrengarde des Präsidenten vollzieht zur Marschmusik der Kapelle Exerziermanöver voller Pathos und technischer Raffinesse, Füße stampfen auf den Boden und Gewehre wirbeln durch die Luft, eine ungenierte Staatsaffirmation, wie man sie im postnationalen Deutschland gar nicht mehr kennt.
Tagsüber ist es heiß, nachts wird es eisig kalt.
Die Menschen wärmen sich mit Bergen von Bettdecken.
Cusco schlägt mich sofort in den Bann. Die ehemalige Inkahauptstadt liegt in einem Talkessel, überragt von der Festung Sacsayhuamán, von der sich ein atemberaubendes Panorama bietet. Beim Gehen – die Stadt liegt in 3.400 Metern Höhe – geht mir die Luft aus, bevor ich schwitze. Ein seltsames Gefühl. Im Zentrum ruhen viele Kolonialhäuser auf Inkamauern, die sorgfältig behauenen Riesenblöcke strahlen eine magische Ruhe und Erhabenheit aus. An der Kathedrale sitzen die Touristen entspannt auf der Freitreppe und genießen die letzten Sonnenstrahlen, viele tragen tagsüber T-Shirt und kurze Hose. Nachts hingegen fällt in den Innenräumen das Thermometer im Gleichschritt mit der Außentemperatur, Heizungen gibt es wie in Bolivien und Chile keine, statt dessen liegen Berge von Bettdecken bereit.
Machu Picchu bringt mich an die Grenzen meiner Abenteuerlust. Zwei Tage hintereinander stundenlanges Anstehen in den frühen Morgenstunden, um eine der begehrten Karten zu ergattern, die vor Ort zu haben sind. Die Peruaner haben die Geldmaschine perfektioniert, Anfahrt und Eintritt kosten ungefähr das Zehnfache des Zugangs zu den ägyptischen Pyramiden, die Ortschaft am Fuße erweist sich als charmefreie Touristenfalle. Passend zu meiner Stimmung regnet es am Tag des Aufstiegs, aber gegen Mittag klären sich die Wolken auf und die rätselhaften Ruinen zeigen sich vor der Kulisse einer grandiosen subtropischen Bergwelt.