© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/23 / 06. Oktober 2023

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Selbst genehmigt, dann gehortet
Paul Rosen

Wer an der Quelle sitzt, muß kein Wasser sparen. Genauso verhält es sich mit der Finanzierung der Bundestagsfraktionen. Sie alle, ob SPD, CDU/CSU, Grüne, AfD, FDP oder Linke, erhalten ihr Geld mit schöner Regelmäßigkeit aus der Staatskasse – mit stark steigender Tendenz. Wurden den Fraktionen 2012 noch 80,8 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, so waren es im vergangenen Jahr 126,15 Millionen Euro. Bei der Erhöhung der Mittel orientiert sich der Bundestag an der Lohnentwicklung im öffentlichen Dienst und allgemeinen Kostensteigerungen. Kosten für Büros, Telekommunikation und für Gebäudemanagement sind in den Beträgen noch nicht einmal enthalten.

Die Aufteilung der Gelder erfolgt nach einem festen Schlüssel: Es gibt einen Grundbetrag, Zuschläge für jeden zur Fraktion gehörenden Abgeordneten und noch einen Extra-Zuschlag für Oppositionsfraktionen, weil die es so schwer haben. 

Wie aus den jetzt von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) vorgelegten Abschlußberichten für das Jahr 2022 hervorgeht, verzeichnete die SPD-Fraktion im vergangenen Jahr Einnahmen in Höhe von 30,2 Millionen Euro, die CDU/CSU-Fraktion in Höhe von 32,2 Millionen und die Grünen in Höhe von 19,6 Millionen. Die FDP hatte Einnahmen in Höhe von 16,5 Millionen Euro, die AfD von 17 Millionen und die Linke von 11,8 Millionen. 

Die meisten Rücklagen und Rückstellungen hat die AfD mit 21,5 Millionen angesammelt, gefolgt von der SPD mit 19,2 Millionen. Aber auch die Beträge, die die anderen Fraktionen aus Steuermitteln an die Seite gepackt haben, sind enorm: CDU/CSU 16,2 Millionen, Grüne 8,7 Millionen, FDP 13,5 Millionen und Linke 11,4 Millionen. Selbst die Bundestagsverwaltung bezeichnet es als „bedenklich“, daß es keine Höchstgrenze für Rücklagen gibt.

Die Kontrolle der Mittelverwendung der Bundestagsfraktionen ist – zurückhaltend formuliert – unzureichend. Der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, spart seit Jahren nicht mit Kritik: „Es ist unklar, wofür die Fraktionen ihre Mittel ausgeben dürfen – und wofür nicht.“ Fraktionen dürfen keine Wahlwerbung für ihre Parteien betreiben, die schließlich auch massive Staatszuschüsse erhalten. Sie dürfen nur über ihre Arbeit und die Tätigkeit ihrer Mitglieder informieren. Besonders durch das Aufkommen des Internets und sozialer Medien verwischen die Grenzen zusehends. Scheller kritisiert: „Genau hier fehlt es an Leitplanken, was erlaubt ist und was nicht.“

Und werden die Grenzen überschritten, passiert – nichts. „Es fehlt eine gesetzliche Grundlage, um unzulässig verwendete Mittel von den Fraktionen zurückzufordern“, kritisiert Scheller.  Verstöße werden übrigens nicht geahndet, rechtswidrig für Parteizwecke ausgegebene Gelder müssen nicht zurückgezahlt werden. „Die Fraktionen haben letztlich nichts zu befürchten, wenn sie sich nicht an die Regeln halten“, so das resignierende Fazit des Bundesrechnungshofpräsidenten.