© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/23 / 06. Oktober 2023

Ländersache: Sachsen-Anhalt
Da geht das Messer in der Tasche auf
Paul Leonhard

Dieses Urteil sorgt auch jenseits der Landesgrenzen für Furore. Denn was das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt entschieden hat, könnte mehrere Orte bundesweit gleichfalls betreffen. Die Magdeburger Richter erklärten die Verordnung der Polizei über die Einrichtung einer Waffenverbotszone in Halle an der Saale für unwirksam. Diese greife „rechtswidrig in die Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern“ ein,  teilte eine Justizsprecherin mit. Die von der Polizeiinspektion getroffene Anordnung „willkürlicher, anlaßloser Polizeikontrollen“ sei nicht rechtskonform.

Dabei galt die im Dezember 2020 um den Riebeckplatz und den Hauptbahnhof in der Salz- und Händelstadt eingerichtete Waffenverbotszone als Erfolgsgeschichte. Die Ordnungshüter konnten seitdem – wie beabsichtigt – durch verdachtsunabhängige Kontrollen potentiellen gewalttätigen Konflikten mit Waffen entgegenwirken. 25 Messer, drei Schreckschußwaffen, vier Schlagstöcke, drei Schlagringe und zwei Reizstoffsprühgeräte wurden im vergangenen Jahr beschlagnahmt.

Polizeipräsenz sorgt aber nicht nur unter einschlägigen Kriminellen für Unruhe, sondern stört auch Linksradikale. Solche Zonen würden diskriminierende Praktiken wie das sogenannte „Racial Profiling“, also das Heranziehen der Hautfarbe oder Gesichtszüge einer Person als Grundlage für Kontrollen, begünstigen, beklagt die landesweit agierende Initiative „Waffenverbotszonen abschießen“. Die Polizei biete „uns keine Sicherheit, schützt nicht unsere Interessen als Arbeiter:innen und migrantische Personen, eine verstärkte Polizeipräsenz wird nur zu mehr rassistischen Kontrollen und Polizeigewalt führen“. Polizeikontrollen seien angesichts der geringen Zahl tatsächlich gefundener Waffen völlig unverhältnismäßig und stellten einen übermäßigen Eingriff in die Grundrechte dar.

In Halle strengte daraufhin ein Jurastudent ein Normenkontrollverfahren an. Tatsächlich stellten jetzt die Richter fest, daß im konkreten Fall die rechtliche Grundlage fehlt. Wolle man eine Landesverordnung erlassen, brauche es im Gesetz eine entsprechende Regelung, teilte das OVG mit. Nun ist davon auszugehen, daß eine Polizeiinspektion nicht ohne Rückendeckung ihrer vorgesetzten Behörde Waffenverbotszonen anordnet. Hat also das Innenministerium schlampig gearbeitet? Am Regierungssitz in Magdeburg zeigte man sich über die Entscheidung erstaunt. Das Gericht habe eine bundesweite Praxis für unzulässig erachtet, Waffenverbotszonen unmittelbar durch eine Rechtsverordnung einzurichten, teilte das Innenministerium mit. Der Richterspruch, der noch nicht rechtskräftig ist, reiche daher über Halle und Sachsen-Anhalt hinaus. Ob Sachsen-Anhalt Revision beim Bundesverwaltungsgericht einlegen wird, blieb allerdings offen.

Aktuell gibt es in elf deutschen Städten dauerhafte Waffenverbotszonen. So hat Hamburg bereits 2007 eine an der Reeperbahn eingerichtet. In Hessens Hauptstadt Wiesbaden gilt zwischen 21 und 5 Uhr ein Waffenverbot für die Innenstadt. Und auch in Halles sächsischer Nachbarstadt Leipzig wurde im November 2018 durch das Innenministerium nahe des Hauptbahnhofs eine Waffenverbotszone verordnet.