Herr Lambrou, wer steckt hinter den wiederholten Farbattacken auf Ihre Landtagskandidaten?
Robert Lambrou: Das weiß ich nicht, aber erstmals gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen einem Anschlag und der Doxing-Webseite der Antifa.
Und der wäre?
Lambrou: Die Antifa veröffentlichte im August private und öffentlich zugängliche Daten unserer Kandidaten gebündelt auf einer Internetseite – das meint der Begriff „Doxing“ – und rief dazu auf, ihnen: „Das Leben zur Hölle zu machen!“ Zwei Wochen vor der Wahl sind Haus und Auto unseres Kandidaten im Wahlkreis Waldeck-Frankenberg II, Stefan Ginder, mit Farbe und Bitumen schwer beschädigt und die Reifen zerstochen worden.
Und diesen Zusammenhang gab es bei den drei anderen Anschlägen während des Wahlkampfes nicht?
Lambrou: Nein, da sie sich nicht gegen Adressen richteten, die auf der Doxing-Liste stehen.
Was folgt nun daraus?
Lambrou: Die Sicherheitsbehörden sollten stärker gegen Antifa-Gruppen vorgehen. Politiker anderer Parteien sollten sich von Antifa-Gruppen distanzieren und keine gemeinsamen Auftritte durchführen.
Allerdings, behindert dieser Anschlag wirklich Ihren Wahlkampf?
Lambrou: Man muß verstehen, worum es eigentlich geht: um Psychoterror. Der in die Tausende gehende Sachschaden ist zwar schlimm genug, eigentliches Ziel aber ist es, mit dem Anschlag auf sein Haus unseren Kandidaten in tiefe Verunsicherung aus Sorge um die Sicherheit seiner Familie zu stürzen. Ein anderes Beispiel: Für mich etwa haben Unbekannte eine Grabstelle bestellt. Zwar konnte ich den Auftrag stoppen, mußte also nichts bezahlen – die Symbolik aber ist natürlich einschüchternd.
Gibt es Solidarität seitens der etablierten Politik?
Lambrou: Nach der Veröffentlichung der Antifa-Internetseite mit den gesammelten Daten unserer Kandidaten verurteilte die Landesregierung erstmals eine dieser gegen uns gerichteten Aktionen. Dieser Fall von Doxing wurde allerdings auch bundesweit beachtet. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums verurteilte die Aktion zwar auch, aber Nancy Faeser hat sich leider nicht selbst geäußert. In der Regel wird bei Anschlägen auf die AfD aber geschwiegen – übrigens auch im Fall der weiteren sechs Anschläge, die es in dieser Legislaturperiode bereits vor Beginn des Wahlkampfes auf Landtagsabgeordnete gegeben hat. Übrigens behindern unseren Wahlkampf nicht nur Gewalt und Drohungen, sondern auch die generelle Diskriminierung der AfD. So müssen etwa immer wieder Mitglieder austreten, weil sie vom Arbeitgeber vor die Wahl zwischen Job oder Parteimitgliedschaft gestellt werden.
Ist der Wahlkampf wenigstens ansonsten „fair“?
Lambrou: Wir werden von manchen Organisationen nicht eingeladen, zum Beispiel von verschiedenen Verbänden zu Podiumsdiskussionen, bei denen sich die Spitzenkandidaten präsentieren sollen – was übrigens zuweilen auch die Linke trifft. Immerhin aber gilt diese Kritik nicht für die Öffentlich-Rechtlichen, und wir werden zudem deutlich häufiger eingeladen als noch 2018 – es geht also aufwärts.
In den Umfragen liegen Sie zwischen 15 und 17,5 Prozent. Wieviel werden es am Wahltag sein?
Lambrou: Das entscheidet der Wähler. Aber alles über 13,1 Prozent – unser Ergebnis von 2018 – ist ein Erfolg. Und alles über 15,1 Prozent – dem bisher besten AfD-Landtagswahlergebnis im Westen, 2016 in Baden-Württemberg – wäre ein historischer Erfolg. Mehr ist nicht auszuschließen, hängt aber auch davon ab, ob uns auch jene wählen, die zwar nur geringfügig mit uns übereinstimmen, aber ein Zeichen setzen wollen.
Im März stand die hessische AfD noch bei elf Prozent, seitdem haben sie kräftig zugelegt. Warum?
Lambrou: Wir hören an den Wahlkampfständen von der großen Enttäuschung, die über die Politik der Ampel-, aber auch der schwarz-grünen Landesregierung herrscht. Vor allem wegen der hohen Energiepreise und Inflation. Dazu kommt eine unkontrollierte Masseneinwanderung, die die Probleme, die wir sowieso schon haben, noch erheblich verschärft.
Ist das also eigentlich weniger eine Landtags- als eine „Bundestags-Denkzettel-Wahl“?
Lambrou: Beides, ich sagte ja, daß auch die Landesregierung viele enttäuscht, in der die CDU, obwohl sie mit Boris Rhein den Ministerpräsidenten stellt, von den Grünen dominiert wird. Zudem gibt es auch landespolitische Themen. So spielen etwa Bildung und Erziehung laut dem HR-„Hessentrend“ für die Wähler eine große Rolle.
Apropos „Rolle spielen“, was ist mit Nancy Faeser?
Lambrou: Sie habe ich mir schon vor langem, wie in der FAZ nachzulesen ist, als SPD-Spitzenkandidatin gewünscht! Und ich wurde nicht enttäuscht: sie ist absolutes „Kassengift“. Und das nicht nur, weil sie als Bundesministerin und Spitzenkandidatin in Hessen „zweigleisig fährt“ oder in Sachen Massenzuwanderung völlig versagt, sondern wegen ihres Verhaltens insgesamt – diese Frau ist eine wandelnde Wahlkampfkatastrophe.
Selbst wenn Sie den „historischen Erfolg“ erzielen sollten – was dann? Niemand wird mit Ihnen koalieren.
Lambrou: Das wissen wir nicht.
Können Sie sich etwa ernsthaft vorstellen, daß ausgerechnet Boris Rhein das wagen würde?
Lambrou: Wissen Sie, wenn es immer heißt, die AfD sei eine radikale Partei: ich kenne wirklich keine radikalere Politik als die der Masseneinwanderung unter der damaligen Bundeskanzlerin Merkel und nun unter Bundeskanzler Scholz. Und ich kenne niemanden, der vor Tino Chrupalla Angst hätte – wohl aber viele, die vor Robert Habeck Angst haben. Übrigens hatten wir hier in Hessen einmal einen SPD-Ministerpräsidenten, der 1982 über die an der Startbahn West demonstrierenden Grünen-Wähler und -Mitglieder sagte, er würde ihnen am liebsten „in die Fresse hauen“ und sie „mit einer Dachlatte“ prügeln. Und ausgerechnet dieser Holger Börner war es, der wenige Jahre später als erster eine Landesregierung mit den Grünen gebildet hat!
Robert Lambrou, der Diplomkaufmann, geboren 1967 in Münster als Sohn eines deutschen Vaters und einer griechischen Mutter, ist seit 2019 Abgeordneter und Chef der AfD-Fraktion im Landtag. Zudem hat er seit 2017 den Vorsitz des Landesverbands inne – den er sich aufgrund einer Doppelspitze in Hessen seit 2021 mit dem Landtagsabgeordneten Andreas Lichert teilt.