© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/23 / 06. Oktober 2023

Kosovo-Konflikt
Die Drachensaat geht auf
Albrecht Rothacher

Die Schwäche des Westen – der USA und der EU – im aserischen Angriffskrieg gegen Bergkarabach und die aktuelle Unterbrechung der US-Militärhilfe an die Ukraine, laden sofort zu Revisionsgelüsten im Westbalkan ein, EU-Milliarden und Beitrittsversprechen ungeachtet. Gute und Böse nach manichäicher Art gibt es dort nämlich nicht. Nur brutale opportunistische Machtpolitik. 

Serbiens Präsident Aleksandar Vucic, sein Statthalter Radoicic in Mitrovica und der kosovarische Premier Albin Kurti sind sämtlich keine Waisenknaben, sondern hartgesottene Machtpolitiker an der Grenze des Rechtsstaats oder schon jenseits davon. Dabei waren sich serbische und kosovarische Machthaber vor Jahren schon fast einig: ein Gebietstausch des serbisch besiedelten Mitrovica-Distrikts im Nordkosovo mit den albanisch besiedelten Landkreisen Südserbiens. Die Lösung des Dauerstreits scheiterte damals unter anderem an der unseligen Kanzlerin Merkel, die hysterisch jede Änderung der von Tito gezogenen Binnengrenzen Jugoslawiens, geschweige denn jene von den Siegermächten des Ersten Weltkriegs jenseits ethnischer Befindlichkeiten betonierte Grenzziehung auf dem Balkan, ablehnte. Diese kombinierte Drachensaat droht nunmehr aufzugehen. 

Der serbische Truppenaufmarsch wird sich von den üblichen zahnlosen internationalen Appellen von Baerbock bis Borrell sicher nicht aufhalten lassen, auch wenn den Muskelspielen aus Belgrad nicht unbedingt gleich eine militärische „Spezialoperation“ folgen muß.