© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/23 / 29. September 2023

Zeitschriftenkritik: Hintergrund
Geopolitische Interessen
Werner Olles

Das zweimonatlich erscheinende Nachrichtenmagazin Hintergrund befaßt sich in seiner aktuellen Ausgabe (9/10-2023) mit dem Schwerpunktthema „Welt im Umbruch“. In ihrem Vorwort betont die Redaktion, daß der Umbruch in der Welt am 9. November 2001 mit dem Aufbäumen der Supermacht USA und den anschließenden Kriegen in Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien begonnen habe. Gleichzeitig würden sich jedoch immer mehr Staaten von der Vorherrschaft der USA lossagen und eigene Bündnisse wie BRICS und die SCO aufbauen. Leider sei die Mehrheit der Staaten Europas gerade dabei, den Anschluß an diese emanzipatorische Entwicklung zu verlieren.

Diese Auffassung vertritt auch der ehemalige Bundesminister und ehemalige Erste Bürgermeister von Hamburg Klaus von Dohnanyi. Im Mittelpunkt der Interessen Deutschlands stehen für ihn die äußere Sicherheit, die Kraft unserer Wirtschaft und des Sozialstaates. Zur Zeit sieht er „unsere Interessen massiv verletzt, indem in den Fragen der äußeren Sicherheit die Interessen der USA uns vollständig beherrschen und in Fragen der ökonomischen Zukunft die EU ihre Verpflichtung zur Subsidiarität verletzt“. Tatsächlich bleibe Deutschland aber keine Zeit, da die Kriegsgefahr täglich wachse und mehr Diplomatie mit Rußland nötig wäre. Doch erlebten wir jetzt eine gefährliche industrielle Militarisierung der Außenpolitik. 

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete und EU-Kommissar Günter Verheugen erinnert an das gebrochene Versprechen, die Nato nicht nach Osten zu erweitern. Hier sieht er den ersten Baustein, der das Vertrauen zwischen Rußland und dem Westen ins Wanken brachte. Stattdessen werde heute von rot-grünen Politikern die frühere Ost- und Entspannungspolitik diffamiert und auf den Müllhaufen geworfen. Chancen, die Entspannungspolitik wiederzubeleben, erscheinen ihm angesichts der aktuellen Situation „utopisch“.

Der kanadische Journalist Rod Sterling porträtiert Hillary Clintons ehemaligen Stabschef Jake Sullivan, der als Nationaler Sicherheitsberater im Kabinett Biden eine Schlüsselfigur sei. Ihm gehe es darum, feindliche Staaten zu destabilisieren und den Trend zu einer multipolaren Welt umzukehren. Laut Sterling entwickeln sich die USA „von einer Investitions-, Technik- und Produktionsmacht zu einer defizitären Konsumwirtschaft, die mit Hilfe eines aufgeblähten militärisch-industriellen Komplexes einen permanenten Krieg führt“. 

Weitere Beiträge befassen sich mit „Moralismus und betreutes Denken“ (Michael Lüders), „Globale Auswirkungen des Krieges in der Ukraine“ (Jacques Baud) und „Universitäten – das Herz des neuen Wahrheitsregimes“ (Michael Meyen).

Kontakt: Hintergrund Verlag. Graefestraße 19, 10967 Berlin. Das Einzelheft kostet 8,80 Euro, ein Jahresabo 39,60 Euro.

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