Die Geschichte des 1951 wiedergegründeten Goethe-Instituts, der Säule deutscher auswärtiger Kulturpolitik, biete eine Perspektive, die die „Kulturgeschichte der Republik als Ganzes erhellen kann“. Vermutlich lange bevor ein solches Mammut-Projekt realisiert wird, macht Berthold Franke sich daran, die markanteste Zäsur in der Geschichte dieser Institution zu beleuchten. Die liegt für den Kulturdiplomaten im Ruhestand, der Goethe-Institute in Prag, Brüssel und Neu-Delhi geleitet hat, im Generationswechsel nach der Wiedervereinigung, der zugleich ein kulturpolitischer Strategiewechsel gewesen sei. Da sich die Institute der Bonner Republik lange um die Rückgewinnung des Rufs der deutschen Kulturnation bemühen und auf imperiale „Hochglanz-, Belehrungs- und Präsentationsformate“ etwa der französischen Konkurrenz verzichten mußten, setzten sie Schwerpunkte bei der „Programmarbeit“. In „filigranen und dialogischen Formaten“ warben Macher des Neuen Deutschen Films, die Tanz-Workshops von Pina Bausch, Jazzmusiker von Mangelsdorff bis Doldinger oder Literaten wie Enzensberger und Grass weltweit für die linksliberale westdeutsche Kultur. Nach dem Paradigmenwechsel der 1990er Jahren sei eine solche von „Naivität“ geprägte Politik des echten Austausches, weil sie als zu wenig „kultursensibel“ galt, undenkbar. Stattdessen versuche die neue „coole Goethe-Generation der Abgeklärten“, die man auf Großfestivals an ihrer schwarzen Einheitskluft erkenne, die „postkoloniale Wut“ mit „Großformaten des Engagements“ für Feminismus, Diversität und Nachhaltigkeit zu dämpfen (Merkur, 7/2023).