Es geht Schlag auf Schlag. Vom 31. Oktober bis 12. November 2021 tagte die Konferenz zum Klimawandel in Glasgow. Es folgten vom 6. bis 16. Juni 2022 die Klimawandel-Konferenz in Bonn, die Klimawandel-Konferenz im ägyptischen Sharm el-Sheikh (6. November bis 20. November), ein erneuter Gipfel in Bonn (5. Juni bis 15. Juni 2023), das Asiatisch-pazifische Forum zur Anpassung an den Klimawandel (30. August bis 1. September 2023) in Korea sowie die Afrikanische Klimawoche vom 4. bis 8. September 2023 in Nairobi.
Dort fand der erste afrikanische Klimagipfel statt. Das Land präsentiert sich gerne als Vorreiter der Energiewende auf dem afrikanischen Kontinent. Doch die Realität sieht ein bißchen anders aus. Wenige Tage vor Beginn der Konferenz erlebte Kenias Hauptstadt – genau wie andere Regionen im Land – über Stunden einen totalen Stromausfall.
Dennoch präsentiert sich Präsident William Ruto als Vorreiter, wenn es um den Ausbau von Erneuerbaren Energien geht. Tatsächlich gewinnt das ostafrikanische Land schon jetzt einen großen Teil seines Stroms aus Windkraft, Solarenergie und vor allem Geothermie. „Afrika hat die größten Reserven zum Ausbau grüner Energie“, sagte Ruto und fügte hinzu: „Außerdem lagern hier 40 bis 45 Prozent der Mineralien, die für den grünen Wandel wichtig sind. Auf dem afrikanischen Klimagipfel wollen wir uns darüber austauschen, wie wir als Kontinent vorangehen wollen.“
In Dubai sollen Anfang Dezember die Klima-Würfel fallen
Mehrere afrikanische Staatschefs sowie Tausende Delegierte versammelten sich zur Konferenz in Nairobi, und natürlich ging es auch ums Geld. Der afrikanische Kontingent soll mit Milliarden dafür entschädigt werden, daß die Folgen des Klimawandels mit Dürren und Überschwemmungen noch mehr als anderswo zu spüren seien. Dabei verursacht der Kontinent bisher gerade mal vier Prozent der globalen Treibhausemissionen. Am Ende wurde eine „Nairobi-Deklaration“ in Vorbereitung auf die große UN-Klimakonferenz Ende des Jahres verabschiedet.
In einem Aufruf zum Handeln betonten afrikanische Staats- und Regierungschefs, die in Nairobi teilnahmen, die Bedeutung der Dekarbonisierung der Weltwirtschaft für Gleichberechtigung und gemeinsamen Wohlstand. Sie forderten
Investitionen zur Förderung der nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen Afrikas für den Übergang des Kontinents zu einer kohlenstoffarmen Entwicklung und einen Beitrag zur globalen Dekarbonisierung. Die Unterzeichner betonten weiterhin, daß Afrika historisch gesehen nicht für die globale Erwärmung verantwortlich sei, aber die Hauptlast ihrer Auswirkungen tragen müsse. Der Kontinent besitze das Potential und den Ehrgeiz, ein wichtiger Bestandteil der globalen Lösung für den Klimawandel zu sein.
„Wir stellen fest, daß eine multilaterale Finanzreform notwendig, aber nicht ausreichend ist, um den Umfang der Klimafinanzierung bereitzustellen, den die Welt benötigt, um eine Emissionsreduzierung von 45 Prozent zu erreichen, die erforderlich ist, um die Vereinbarungen von Paris 2030 zu erfüllen, ohne die die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Prozent ernsthaft gefährdet sein wird“, heißt es in der Erklärung.
Die Konsequenzen sind aber denkbar einfach. Auf der nächsten Weltklimakonferenz (im Fachjargon COP 28), die vom 30. November bis zum 12. Dezember in Dubai stattfinden wird, dürfte es vor allem um viel Geld für den afrikanischen Kontinent gehen. „Wir sind die erste Präsidentschaft, die eine offene Konsultation zu Themenbereichen und deren Reihenfolge durchführt und Beiträge von einer breiten Mischung von Interessengruppen aus Regierung, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Jugend und indigenen Völkern einlädt“, kündigen die Veranstalter an. Doch ein Blick in die Vergangenheit zeigt, daß für diese „Klimagipfel“ jede Menge Aufwand betrieben wird, die konkreten Maßnahmen aber relativ gering sind. Die letzte „COP“, was „Conference of the parties“ bedeutet, fand im vergangenen Spätherbst in Ägypten statt. Die erste Weltklimakonferenz überhaupt fand übrigens 1995 in Berlin statt. Jahrelang wurde auf den Konferenzen über die genaue Ausgestaltung des Pariser Abkommens gerungen. Die Erklärung, die von 197 Nationen unterzeichnet wurde, beinhaltet die Verpflichtung der Teilnehmer, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren, um den globalen Temperaturanstieg bis 2100 auf deutlich unter zwei Grad, idealerweise 1,5 Grad, zu beschränken.
Umweltschützer und Lobby-Organisationen sind allerdings der Ansicht, daß diesbezüglich noch zu wenig passiert ist. EU-Umweltkommissar
Virginius Sinkevicius ermahnte daher die internationale Staatengemeinschaft Anfang September, bereits beschlossene Klimaziele nicht aus dem Blick zu verlieren. Der Kontext für die „COP28“ sei insgesamt extrem herausfordernd, da bislang nur wenige Fortschritte bei den Minderungszielen gemacht worden seien, sagte der Kommissar. Es sei daher äußerst wichtig, sich auf die Umsetzung bisheriger Ziele zu konzentrieren.
Seiner Ansicht nach müßten sich alle dazu verpflichten, die Emissionen bis 2025 zu senken und in diesem Jahrzehnt „dringend und tiefgreifend“ zu reduzieren. Angemessene Maßnahmen und Investitionen sollten folgen. Die Gefahr, das Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, nicht zu erreichen, sei sehr groß. An dem Ziel müsse aber dringend festgehalten werden: „Wir müssen 1,5 Grad am Leben erhalten, denn das ist im Grunde die Hoffnung, die wir haben“, forderte Sinkevicius weiter. Nach Einschätzung von Experten ist dieses Ziel kaum noch zu erreichen. Es sei zwar noch theoretisch möglich, allerdings nur durch ein radikales Umsteuern in der Klimapolitik.
Weltklimakonferenzen kosten mehrere hundert Millionen Euro
Derzeit aber steuert die Erde nach Angaben der Vereinten Nationen eher auf 2,8 Grad Erwärmung zu. Ob die „COP28“ in Dubai nun den großen Durchbruch bringt, daran gibt es erhebliche Zweifel. Zumal es um die Besetzung der Präsidentschaft schon erhebliche Irritationen gab. Daß der Chef der Ölgesellschaft der Vereinigen Arabischen Emirate, Sultan Ahmed al-Dschaber, das Amt bekam, sorgte für internationale Proteste. „Wir werden einen pragmatischen, realistischen und lösungsorientierten Ansatz einbringen, der transformative Fortschritte für das Klima und ein kohlenstoffarmes Wirtschaftswachstum ermöglicht“, versprach Al-Dschaber.
Mehr als 130 Politiker aus Europa und den USA forderten die Absetzung des COP28-Präsidenten. Die Entscheidung, den Leiter eines der größten Öl- und Gasunternehmens der Welt als Präsidenten der „COP28“ zu ernennen, erhöhe das Risiko, die Verhandlungen zu untergraben. „Dieses Forum, das nie perfekt war, aber das beste, das die Weltgemeinschaft hatte, wird im Dezember zu einem Schaulaufen der Öl-Kohle-Gas-Industrie“, kritisierte die Wochenzeitung Die Zeit.
Die Gastgeber reagierten brüskiert und verwiesen darauf, daß Al-Dschaber nicht in seiner Funktion des Öl-Industriellen die COP28-Präsidentschaft innehabe, sondern wegen seiner Ernennung als Industrieminister in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Vorkommen von Öl und Gas, die die Emirate noch ausschöpfen könnten, umfassen 98 Milliarden Barrel Öl und 215 Billionen Kubikfuß Gas. Die Einnahmen, die allein der Ölexport dem Land bringt, übersteigen Summen von 70 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Kritiker verweisen darauf, daß das Land überhaupt kein Interesse daran habe, die Pariser Klima-Ziele einzuhalten. Daher wird eine schwammige und wenig inhaltsreiche Abschlußerklärung bei der Weltklimakonferenz erwartet. Daran dürften auch die zahlreichen regionalen Treffen nichts ändern, die zur Vorbereitung stattgefunden haben. Nicht nur in Nairobi, sondern auch in Deutschland. In Bonn fanden im Juni zehntägige Vorverhandlungen für die Dubai-Konferenz statt. Unter anderem durfte die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg zu einer radikalen Kehrtwende im Kampf gegen die Erderhitzung aufrufen. Es scheint, als hätten all diese Treffen den Sinn, das Gewissen zu beruhigen. Nach Angaben der Internationalen Energie-Agentur sind die weltweiten Investitionen in Öl, Gas und Kohle seit Jahren angestiegen – auf inzwischen mehr als eine Billion US-Dollar im Jahr 2023. Die nigerianische Klima-Aktivistin Adenike Oladosu sagte in Bonn, die Konferenz sei der Realität der Klimakrise insbesondere in den am stärksten betroffenen Ländern wie Nigeria nicht gerecht geworden. „Anstatt in fossile Brennstoffe zu investieren, die ganze Landstriche im globalen Süden verwüsten, sollten die Länder des globalen Nordens erneuerbare Energien finanzieren“, forderte sie und stellte die Behauptung auf, daß Afrika über zahlreiche regenerative Energiequellen verfüge, die sogar den Energiebedarf der Industrieländer decken könnten.
So gehört wenig Phantasie dazu, was am Ende in Dubai herauskommen wird. Besitzstandswahrung auf der einen Seite und finanzielle Geschenke an den afrikanischen Kontinent auf der anderen Seite. Dabei mangelt es im Vorfeld nicht an markigen Worten. „Die Erwartungen steigen zusammen mit den Temperaturen. Wir müssen also Klartext sprechen“, mahnte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einem von UN-Generalsekretär António Guterres einberufenen „Climate Ambition Summit“ in New York Mitte September.
„Wir müssen uns noch in diesem Jahr auf wirksame Lösungen einigen. Die Europäische Union wird bei diesen Diskussionen ein starker Verbündeter sein. Gleichzeitig sollten wir aber größere Ambitionen bei der Verringerung der Treibhausgas-Emissionen an den Tag legen“, forderte die CDU-Politikerin. Die EU bilde gemeinsam mit dem Präsidenten der Weltklimakonferenz COP28, Sultan Al Dschaber, dem kenianischen Präsidenten William Ruto, Mia Mottley aus Barbados und anderen „eine globale Koalition, damit sich die ganze Welt bis 2030 auf die Verdreifachung erneuerbarer Energien und die Verdoppelung der jährlichen Energieeinsparungen einigen kann. Wir brauchen diese globalen Ziele, denn nur was sich messen läßt, wird auch erledigt“, betonte von der Leyen und unterstrich, daß gerade in den Entwicklungsländern mit ihrem „enormen Potential für erneuerbare Energien, sauberen Wasserstoff und kritische Rohstoffe“ mehr investiert werden müsse. Europa habe die Botschaft des afrikanischen Klimagipfels verstanden: „Allein in den nächsten fünf Jahren werden wir im Rahmen unseres 300 Milliarden Euro schweren Global-Gateway-Plans mindestens vier Milliarden Euro in erneuerbare Energien und Wasserstoff in Entwicklungsländern investieren.“ Mit Blick auf die Finanzierung verwies von der Leyen auf die CO2-Bepreisung von Treibhausgas-Emissionen und die Möglichkeiten, hier noch mehr Einnahmen zu erzielen.
Übrigens: Die Kosten für die Weltklimakonferenz haben in den vergangenen Jahren stets mehrere hundert Millionen Euro betragen. An der „GOP26“ im Dezember 2021 in Glasgow nahmen rund 25.000 Delegierte teil. Die Konferenz wird dabei von Sponsoren unterstützt. In den vergangenen Jahren waren das oft ausgerechnet Unternehmen aus der fossilen Industrie, zum Beispiel der Öl- und Gaskonzern BP.
Großbritannien verschiebt seine Klimaziele
Der britische Premierminister Rishi Sunak kündigte eine Abkehr vom bisherigen Klima-Kurs an. In einem am 20. September veröffentlichten Video betonte der 43jährige, er sei stolz, daß Großbritannien „bei der Erreichung des Netto-Null-Ziels bis 2050 weltweit führend“ sei, versprach aber, Familien und Geringverdiener zu entlasten. Netto-Null heißt, daß ein Staat keine zusätzlichen Treibhausgase wie Kohlendioxid in die Atmosphäre einbringt. Sunak möchte das von seinem Vorgänger Boris Johnson beschlossene Gesetz aufheben, wonach ab 2030 keine neuen Benzin- und Dieselautos mehr verkauft werden dürfen. Das soll noch bis 2035 möglich bleiben. Die Bürger sollen weiterhin schrittweise Heizungen auf Wärmepumpen umstellen, aber mit höheren Subventionen. Wer eine Wärmepumpe einbaut, soll künftig 7.500 Pfund erhalten – eine Erhöhung um 50 Prozent. Sunak sagte, die bisher geltenden Maßnahmen würden für viele Familien bis zu „fünfzehntausend Pfund aufwärts“ kosten, weshalb eine Änderung der Vorgaben notwendig sei. (st)