Unfreiwillig scheint Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker eine Aufteilung ihrer erfolgreichen Hauptabteilung hinnehmen zu müssen. Das ist derjenige Fachbereich der Kölner Staatsanwaltschaft, der sich um die unrechtmäßige Erstattung von Quellensteuern durch „Cum-Ex-Geschäfte“ kümmert. Bei diesen komplexen und illegalen Aktiendeals handelt es sich um ein ausgeklügeltes Verwirrspiel diverser Marktteilnehmer wie Banken, Investoren, Börsenmakler und Steueranwälte. Diese erschweren es dabei mit windigen Konstruktionen dem Fiskus zu erkennen, wer den berechtigten Anspruch überhaupt besitzt. Unter Ausnutzung deutscher Steuervorteile erreichten ausländische Finanzinstitute so, daß im Ergebnis vom Staat eine nur einmal gezahlte Kapitalertragssteuer gleich mehrfach zurückgezahlt wurde.
Brorhilker macht bei der Aufklärung auch vor großen Fischen der Finanzbranche keinen Halt und setzt auf Strafverfolgung anstelle von Vergleichsvereinbarungen. Das hartnäckige Vorgehen führte bei ihren Anklageerhebungen jeweils zu Schuldsprüchen und trug dem Fiskus und den ehrlichen Steuerzahlern mehrere hundert Millionen Euro ein. Basis des Erfolges war die im Jahr 2021 vom damaligen NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) eigens mit viel Personal eingerichtete Hauptabteilung. Daran wird jetzt herumgeschraubt.
Denn ungeachtet der meßbaren großen Erfolge möchte der Leiter der Staatsanwaltschaft Köln die Hauptabteilung jetzt aufsplitten. Das mißfällt dem Generalstaatsanwalt. Er moniert auch, daß der Umbau direkt zwischen Ministerium und Staatsanwaltschaft besprochen worden sei. Der neue NRW-Justizminister Benjamin Limbach von den Grünen soll in die Umbaupläne bereits einbezogen gewesen sein. Der Sohn der verstorbenen Bundesverfassungsrichterin Jutta Limbach (SPD) selbst erklärt dagegen, „damit noch nicht befaßt worden zu sein“. Auch der Personalrat von NRWs Staatsanwälten ist diesem Dementi gegenüber skeptisch.
Wird eine Erfolgsgeschichte für die ehrlichen Steuerzahler beendet?
Kurios mutet die Personalie auch deshalb an, da es sich bei der Besetzung um einen bei diesem komplexen Thema unerfahrenen Staatsanwalt handeln soll. Bislang war er im Referat für Jugendstrafrecht des Justizministeriums tätig. Jetzt soll er offenbar an die großen Buben ran. Ob er dem so gewachsen ist wie die mit zehnjähriger Expertise ausgestattete und bei Bankern durchaus gefürchtete Kollegin, bleibt mehr als ungewiß. Und wer von den beiden bei diesen anspruchsvollen Themen den Hut aufhaben wird, ist außerdem unklar. Die Finanzbranche könnte eine Verschnaufpause schnuppern.
Auch dafür hatte die Kölner Staatsanwältin gesorgt: Der Ex-Chef der Hamburger Privatbank Warburg Christian Olearius sitzt wegen der Cum-Ex-Geschäfte seit einigen Tagen auf der Anklagebank. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis. Mehrere Ex-Mitarbeiter von Olearius sind bereits verurteilt oder haben sogar Haftstrafen angetreten. Bereits im Zuge der Anklageverlesung fiel 27mal der Name von Bundeskanzler Olaf Scholz. Als Warburg die als rechtswidrig festgehaltenen Geschäfte tätigte und eine Steuerforderung versuchte abzuwenden, war Scholz Hamburger Bürgermeister. Ein Hamburger Untersuchungsausschuß hinterfragt seit drei Jahren die Gründe dafür, daß der Hamburger Senat und die Hamburger Steuerverwaltung bereit waren, Steuerrückforderungen aus Cum-Ex-Geschäften in Millionenhöhe verjähren zu lassen.
Scholz beruft sich bei den Hamburger Recherchen auf Gedächtnislücken. Allerdings sind ihm einzelne Parlamentarier aufgrund recherchierter Kalendernotizen auf der Spur. Aber auch hier scheint die NRW-Behörde von Limbach mitzumischen, indem sie den Hamburgern das Leben erschwert. Über ein Jahr bemüht man sich bereits um Zugang zum E-Mail-Verkehr in der WarburgSache von Scholz und seinem heutigen Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt. Der folgt Scholz seit Jahren auf Schritt und Tritt. Erst als Hamburger Staatsrat und dann auch als Staatssekretär unter Bundesfinanzminister Scholz während des Wirecard-Skandals. Limbachs Leute ließen aber Fristen verstreichen und lieferten Hamburg gar nicht erbetene Post. Im Rahmen dieses Disputes trat im Sommer der Leiter der Kölner Staatsanwaltschaft zurück.
Der ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete und Finanzexperte Fabio De Masi hat kürzlich sogar Strafanzeige gegen den Kanzler erstattet, wie es auch der bundesweit bekannte Strafrechtler Gerhard Strate bereits tat. Den jetzt laufenden Olearius-Prozeß und seinen auch für den Kanzler persönlich spannenden Verlauf kann das Personalspiel nicht mehr aufhalten.
Kommentar Seite 2