Der Kanzler und seine Bauministerin Klara Geywitz wollten mit dem Wohngipfel am Montag ein Signal der Handlungsfähigkeit und des Aufbruchs setzen. Doch der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW und der Eigentümerverband Haus & Grund sagten ihre Teilnahme ab. Der GdW wollte so auf die erfolglose Arbeit des Bündnisses bezahlbarer Wohnraum hinweisen, Haus & Grund auf das investitionsfeindliche Regulierungsdickicht, dem mit der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) die vorläufige Krone aufgesetzt worden ist.
14 Maßnahmen wurden im Kanzleramt verkündet, aber die Schere zwischen Angebot und Nachfrage wird sich auch bei ihrer Umsetzung noch weiter öffnen. Die Bundesregierung priorisiert die Bekämpfung der Wohnungsnot noch immer nicht entschlossen gegenüber Klimaschutz und Migrationsbedarf. Die Bautätigkeit sackt immer weiter ab und hält immer weniger mit der demographischen Entwicklung Schritt. Es sind kaum noch Wohnungen für die vielen Wohnungssuchenden in den Städten verfügbar, und der Druck auf die Angebotsmieten nimmt immer weiter zu.
Auf dem Baumarkt, dem Bodenmarkt und dem Kapitalmarkt haben die Preise luftige Höhen erreicht. Die Kombination aus den hohen Baupreisen, die seit 2021 um ein Drittel gestiegen sind und den hohen Hypothekenzinsen, die sich seit Anfang 2022 vervierfacht haben, ist toxisch, denn sie führt zu Neubaupreisen und -mieten, die die meisten nicht bezahlen können. Auch die Erschwinglichkeit von Bestandsimmobilien hat sich wesentlich verschlechtert, weil die Immobilienpreise bislang nur wenig nachgegeben haben.
Nachdem der grüne Wirtschafts- und Klimaminister Habeck 2022 die energetische Neubauförderung gnadenlos zusammengestrichten hatte, setzt nun – viel zu spät – ein Umdenken bei der Ampelregierung ein. Der EH40-Super-Energiesparstandard im Neubau soll erst mal nicht kommen, die EU-Gebäuderichtlinie EPBD mit ihren Zwangssanierungen soll in Brüssel verhindert werden. Die degressive AfA für neu gebaute Mietwohnungen kommt ganz ohne energetische Zusatzanforderungen. Zudem wird die Neubauförderung der KfW neu aufgestellt. Die Darlehenshöchstbeträge und die – bislang viel zu niedrigen – Einkommensgrenzen beim Eigentumsprogramm werden spürbar angehoben. Doch sind die billigen Zinsen immer noch auf höchstens zehn Jahre befristet.
Ein hoher Bauüberhang von 885.000 genehmigten Wohnungen
Doch man muß sich vier Punkte bewußt sein:
Erstens ist der Wohnungsmarkt ein Supertanker, der meistens erst mit großer Verzögerung auf angebotserweiternde Maßnahmen reagiert. Das bedeutet: Was heute beschlossen wird, wird im Zweifel erst in der nächsten Legislaturperiode wirksam. Bis dahin bessert sich allenfalls die Stimmung, aber noch nicht die Lage.
Zweitens darf man sich nicht im Katalog der bekannten 187 Einzelmaßnahmen des „Bündnisses für bezahlbaren Wohnraum“ verheddern. Es kommt auf deren Wirksamkeit an.
Drittens sind uferlose Subventionen in einer Welt mit Zielkonflikten und Opportunitätskosten nicht die Lösung. Es gibt dabei Mitnahmeeffekte und Effizienzverluste. Hohe Baupreise, Bodenpreise und Zinsen sind Knappheitsindikatoren, und Angebot und Nachfrage brauchen Zeit, um sich auf neue Bedingungen einzustellen, zum Beispiel durch Einsatz günstigerer Baustoffe, serielles Bauen, Nachverdichtung oder den Bau von Mikrowohnungen.
Viertens können überzogene Klimaschutzanforderungen den Neubau weiter ausbremsen.
Eine spürbare Entlastung von den hohen Kapitalkosten wird nun durch die Öffnung der beiden Neubauprogramme der KfW (KFN, WEF) mit ihren durchaus attraktiven Zinskonditionen erreicht werden. Mit der deutlichen Erhöhung der Kredithöchstbeträge wird die Verzinsung des Eigenkapitals der Bauherren weiter verbessert. Beim WEF-Programm für Familien wird mit der Anhebung der Einkommensgrenzen von 60.000 auf 90.000 Euro zu versteuerndes Einkommen die Zielgruppe erweitert. Darüber hinaus sollte aber nun auch die Bindung der Programme an den EH40-Standard und für die höchste Förderstufe an das Qualitätssiegel „Nachhaltiges Gebäude Plus“ (QNG-plus) aufgehoben werden. Mit dem allgemeinen Neubaustandard EH55 können mindestens zehn Prozent der Baukosten gespart werden.
Offen bleibt, ob auch die Haushaltsmittel entsprechend aufgestockt werden. So standen bislang für das WEF-Programm nur 350 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung.
Baukostensenkend würde auch eine Senkung der Grunderwerbsteuer für den Mietwohnungsneubau wirken, aber hier gibt es leider kaum Bewegung, da die Länder aus fiskalischen Gründen mauern. Eine vorübergehende Absenkung der Mehrwertsteuer für Baustoffe und Bauleistungen ist gar nicht im Maßnahmenpaket enthalten.
Alles zu wenig und zu spät – die verbreitete depressive Stimmung in der Bau- und Immobilienwirtschaft kann so nicht überwunden werden. Die Chance auf eine Wende am Wohnungsmarkt wird nicht entschlossen genutzt: Es gibt wieder freie Baukapazitäten, und wir schieben einen sehr hohen Bauüberhang von rund 885.000 Wohnungen vor uns her. Das sind bereits genehmigte Wohnungen, für die kein Bauland mehr geschaffen werden muß. Ein großer Teil davon könnte mit weiteren Entlastungen in Form von Steuersenkungen und Regulierungsabbau unverzüglich aktiviert werden, ohne daß dieser Impuls einfach in Form von weiter steigenden Boden- und Baupreisen verpuffen würde.
Die Wohnungsnot ist insgesamt so ernst, daß auch eine Steuerung der Nachfrage durch eine Begrenzung der Migration nach Deutschland erforderlich ist. In den Brennpunkten des Wohnungsbedarfs sind wir so weit gekommen, daß sogar Bewirtschaftungsmaßnahmen wie die vorrangige Vergabe von freiwerdenden Wohnungen an Familien und andere Gruppen ernsthaft erwogen werden.
Über den kurzfristigen Maßnahmen darf man natürlich die langfristige Anpassung nicht aus dem Auge verlieren. Parallel zur Wiederentspannung der Wohnungsmärkte muß das Regulierungsdickicht im Mietpreisrecht und im Baurecht gelichtet werden. Wir müssen lernen, einfach, aber nicht monoton und zugleich mit angemessener Energieeffizienz zu bauen, ohne den Bodenschutz zu vernachlässigen. Zuerst muß aber die Bautätigkeit überhaupt wieder in Schwung gebracht werden.
14-Punkte-Maßnahmenpaket der Bundesregierung
Mit ihrem Maßnahmenpaket will die Bundesregierung „Investitionen in den Wohnungsbau anstoßen und die Bau- und Immobilienbranche stabilisieren“. Bislang ist das Versprechen von jährlich 400.000 neuen Wohnungen, davon 100.000 öffentlich geförderte, verfehlt worden. 2022 gab es nur 295.000 Baufertigstellungen, Tendenz stark fallend. Bessere Abschreibungsmöglichkeiten, Baugesetzänderungen und die Verschiebung unbezahlbarer Energieeffizienzstandards (EH40) waren überfällig, die hohen „Klimaschutz“-Anforderungen für die KfW-Neubauförderung werden nicht abgesenkt. Bis 2027 stellt der Bund den Ländern 18 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Mit dem „Klima-Bonus“ soll der Austausch funktionierender Heizungen subventioniert werden. Die „Neue Wohngemeinnützigkeit“, die es bis 1989 schon gab, ist ein Vorhaben aus dem Ampelkoalitionsvertrag, das allenfalls langfristig einen Beitrag zur Krisenbewältigung leisten kann. (fis)