In Wien weht wieder Wind. Die Stadt hat endlich Luft zum Atmen. Im August war Wien an vielen Tagen ein Kessel. Zwischen Hofburg, Burgtheater und Parlament staute sich die Hitze. Wind ist eigentlich normal in Wien. Das hat die Kaiserstadt der Deutschen heute noch gemeinsam mit der kleindeutschen Kaiserstadt Berlin.
Der Wind trägt auch den Regen in die Stadt. Ich bin mit dem Fahrrad unterwegs. Oben am Belvedere geht es parallel zum französischen Barockgarten Prinz Eugens Richtung Schwarzenbergplatz, vorbei an der Oper und dem Volksgarten in mein Stammbeisl hinterm Parlament in der Inneren Stadt. In Deutschland würde man sagen: Kneipe im Regierungsviertel. Naß vom ersten Regen bin ich froh, drinnen sitzen zu können. Eine Frau möchte mit ihrem Bier und ihrer Zigarette draußen im überdachten Gastgarten bleiben. Wienerisch-freundlich sagt der Kellner: „Naaa.“ Weil er das noch ein paarmal wiederholt, meint die Frau beleidigt: „Na, Sie sind aber freundlich.“ Daraufhin verabschiedet sie der Kellner: „Und auf Wiedersehen“. In Wien ist das normal freundlich. Fast höflich. Die Frau war eine Touristin.
Vorgezogene Neuwahlen sind in der Alpenrepublik längst das Normalste auf der Welt.
Ich sitze beim Klavier – gegenüber ein normaler Wiener. Er schüchtert mich ein wenig ein. Während ich meinen Saibling mit Kartoffeln esse, kommen für ihn vier Hauptgerichte hintereinander. Als flankierende Maßnahme einige Achtel weißen und roten Wein und einen klaren Schnaps. Ob das normal ist? Ich weiß ja nicht so recht. Ich trinke noch zwei Bier und gehe dann. Der rote Wiener Gesundheitsstadtrat kommt gerade. Man muß nicht jeden treffen.
Was eigentlich normal ist, das hat sich auch die ÖVP während der politischen Sommerpause gefragt. Eine Antwort fand die Volkspartei im Wirtshaus: das Schnitzel. Ansonsten findet die schwarze ÖVP mit der türkisen Strategie Herbert Kickl nicht normal. Spannend. Rund jeder dritte Österreicher findet Kickl und seine FPÖ wahrscheinlich recht normal. Oder würden sonst konstant 30 Prozent angeben, freiheitlich zu wählen?
Normal ist in Österreich auch, daß man mit Mitte Dreißig Altkanzler ist. Sebastian Kurz ist zurück. Zunächst nur im Kino. Zwei Filme werden über die kurze Ära des Ex-Kanzlers gezeigt. In den Anti-Kurz-Film von Kurt Langbein gehen die Kurz-Gegner – die schwarze ÖVP (zum Beispiel Ex-EU Kommissar Franz Fischler). In den Leni-Riefenstahl-Kitsch gehen die Kurz-Freunde, die türkise ÖVP (zum Beispiel „Karo“
Edtstadler, die wahrscheinlich bald gerne EU-Kommissarin wäre). Normaler, langweiliger Sommer? Bald wird es auch in Wien wieder spannender. Im Herbst 2024 soll eine neue Regierung gewählt werden. Aber in Österreich ist es eigentlich völlig normal, daß vorgezogene Neuwahlen kommen. Tu Felix Austria.