© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/23 / 29. September 2023

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Von wegen staatsfern
Jörg Kürschner

Das Verhältnis zwischen der AfD und der Journalisten-Mehrheit ist ein angespanntes. Man ist sich inhaltlich in herzlicher Abneigung verbunden und fühlt sich doch der Professionalität verpflichtet. Ein Balanceakt, den beide Seiten nach jahrelanger Praxis mal mehr, mal weniger bestehen.  

Seit längerem treibt die Fraktion das Thema „Nebentätigkeiten von Journalisten für die Regierung“ um. Mit einer Organklage vor dem Bundesverfassungsgericht will die AfD jetzt erreichen, daß die Regierung Roß und Reiter nennt, also die Namen der Journalisten preisgibt, die in ihrem Auftrag Preisverleihungen oder Diskussionsrunden moderieren, Minister erst per Medientraining fit machen und anschließend interviewen. Gegen Bezahlung natürlich. Rund 1,5 Millionen Euro sind zwischen 2017 und 2022 an etwa 200 Journalisten, darunter etwa 85 Prozent aus den öffentlich-rechtlichen Anstalten, geflossen – so die Auskunft der Regierung.

Dreimal hat die Fraktion mit Anfragen versucht, Licht in das Dunkel zu bringen. Nichtssagend seien die Antworten gewesen, die Klarnamen blieben geschwärzt, moniert der AfD-Medienpolitiker Martin Renner. Der Persönlichkeitsschutz der Betroffenen sei höher zu bewerten als das öffentliche Informationsbedürfnis, argumentiert die Regierung. Doch die AfD ließ sich damit nicht abspeisen.

Nach der vierten Anfrage schickte die Regierung Renner in die Geheimschutzstelle des Bundestags. Dort, hinter dicken Stahltüren, mußte er Handy und Kugelschreiber abgeben und wurde anschließend zum strafbewehrten Stillschweigen vergattert. Dann durfte der Volksvertreter lesen – und staunen. Auf 166 Seiten standen die Klarnamen der rund 200 Journalisten in Diensten der Exekutive. „Journalisten bezahlen und unter Geheimschutz stellen“ widerspreche dem Gedanken der Staatsferne, wie er in den Staatsverträgen mit den öffentlich-rechtlichen Medien festgelegt ist, empört sich Renner.

Sein Mißfallen erregt insbesondere, daß fünf prominente Medienleute jeweils sechsstellige Beträge kassiert hätten, 120 regelmäßig zwischen 3.000 und 12.000 Euro. Das Kanzleramt habe für ein Interview mit Scholz „um die 20.000 Euro“ hingeblättert. Dadurch entwickelten sich Abhängigkeiten, ein „korrumpierendes Element“.

Während sich Renner im Verlauf des Pressegesprächs penibel an die Geheimschutzauflagen hält, wird Fraktionsgeschäftsführer Stephan Brandner, in der AfD zuständig für die Abteilung Attacke, deutlicher. Er erwähnt die ZDF-Journalistin Dunja Hayali („hat eine unrühmliche Rolle gespielt“), deren Kollegin Lindas Zervakis und Eckart von Hirschhausen, „der sich als Vize-Regierungssprecher hervortat“. Namen, die bereits früher in Zusammenhang mit üppigen Honoraren genannt worden sind. Ob das Verfassungsgericht die Anonymisierung der Journalistennamen aufhebt und die Regierung diese veröffentlicht, ist offen. Plant die AfD einen Pranger, falls Karlsruhe grünes Licht für die Klage gibt? Man greife nicht zu Antifa-Methoden, versichert Brandner schmunzelnd und verweist auf den Bundestag. Jede Antwort auf eine Anfrage muß veröffentlicht werden.