© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/23 / 29. September 2023

„Danke für Ihren Dienst!“
Veteranentag: Wie aus dem Nichts ploppt wieder die Debatte um eine jährliche Ehrung ehemaliger Soldaten auf
Rupert Hofmann

Es kam etwas überraschend. Oder wie man in Amerika sagen würde: „Out of the blue.“ Das Bekenntnis von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), er sei für die Einführung eines „Veteranentags“ in Deutschland, um dem Einsatz von Soldaten Respekt zu erweisen. Die „Unterstützung eines solchen Schrittes“ gab Pistorius zum Abschluß der Invictus Games in Düsseldorf Mitte September bekannt. Jedoch nicht er selbst wolle einen solchen Ehren- und Gedenktag für die Bundeswehrsoldaten einführen, sondern die Initiative für einen Veteranentag müsse „aus dem Parlament kommen“.

Von dort kam sie nun tatsächlich: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion brachte einen Antrag ins Plenum ein, einen „nationalen Veteranentag zur Würdigung der Leistungen und der Opfer aller aktiven und ehemaligen Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr“ einzuführen. Vorgeschlagen wurde außerdem, den Gedenktag jährlich am 12. November zu begehen, dem Gründungstag der Bundeswehr 1955. Der Bundestag hat die Vorlage am vergangenen Donnerstag in erster Lesung beraten und danach an den Verteidigungsausschuß überwiesen. 

Die SPD-Bundestagsfraktion ist noch nicht ganz so weit. Sie arbeitet laut Spiegel noch „an einer Gesetzesinitiative, um die gesellschaftliche Stellung von Militärangehörigen zu verbessern“. Demzufolge wollen sich die sozialdemokratischen Verteidigungspolitiker Johannes Arlt und Kristian Klinck dafür einsetzen, eine „Veteranengedenkkultur“ zu etablieren – mit Gedenkorten und einem Veteranentag.

Zuvor hatte bereits die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) ähnliches vorgeschlagen. Und auch der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU), kündigte gegenüber der Rheinischen Post an, er wolle sich ebenfalls für die Einführung eines Veteranentages stark machen. Selbst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprang mit auf und versprach, er werde sich dafür einsetzen, „daß der Respekt“ für Veteranen „mitten in unserer Gesellschaft weiterlebt und wächst“. 

Woher kommt dieser plötzliche Aktivismus und Wettlauf um einen besonderen Tag zu Ehren der aktiven und ehemaligen Soldaten der Bundeswehr? Pistorius lieferte bei einer Pressekonferenz in Düsseldorf den entscheidenden Hinweis: Er wolle „den Rückenwind, der bei den Invictus Games entstanden ist, nutzen, um mehr öffentliches Bewußtsein für die Opfer zu erzeugen, die jene erbringen, die in Uniform dienen“. Nicht viel anders dürfte es bei den anderen Veteranen-Aktivisten der CDU und SPD gewesen sein, denn alle Äußerungen dazu stammen aus dem Zeitraum des in Düsseldorf von kriegsgeschädigten (ehemaligen) Soldaten ausgetragenen Sportwettbewerbs. 

Die Invictus Games waren am Abend des 16. September nach einer Woche Dauer in Düsseldorf zu Ende gegangen. Es handelt sich um einen internationalen Sportwettkampf kriegsversehrter Soldaten. Der britische Prinz Harry, der als Offizier seinen Militärdienst absolvierte hatte und in den Jahren 2007 und 2008 sowie 2012 und 2013 freiwillig an Einsätzen in Afghanistan beteiligt war, hat diese Sportveranstaltung der „Unbezwungenen“ 2014 ins Leben gerufen (JF 37/23). Seither wird sie unter Harrys Schirmherrschaft alle zwei Jahre ausgetragen, dieses Jahr erstmals in Deutschland. 

Es war also der royale Abglanz des durch den Boulevard berühmten Herzog von Sussex und seine Gattin Meghan, der die deutsche Politik so urplötzlich auf diesen Gedanken gebracht hat, und nicht etwa ein langer Denkprozeß oder das Lobbying von Soldatenverbänden, die schon seit Jahren solch eine Würdigung einfordern. 

„Wenn alle geehrt werden, entwertet das den Begriff Veteran“

Dabei hatte bereits im Jahr 2012 der damalige Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) einen Veteranentag einführen wollen, scheiterte mit dieser Idee allerdings schon in der eigenen Partei. Allerdings verwies er vor kurzem im ZDF darauf, daß es „vorher eine Verständigung über den Begriff des ‘Veteranen’ geben“ müsse. Denn was in Deutschland diesbezüglich an Vorstellungen kursiert, widerspricht in den meisten Fällen, was weltweit darunter verstanden wird. 

Die Vereinigten Staaten haben die älteste Veteranenkultur. Sie verstehen darunter, was das lateinische Original „veteranus“ auch wirklich bedeutet: einen altgedienten und erprobten Soldaten sowie ehemalige Angehörige der US-Streitkräfte. 1954 führte Präsident Dwight D. Eisenhower den Veterans Day ein, der immer am 11. November begangen wird, in Erinnerung an das Ende des Ersten Weltkrieges. 

Unter Soldaten der Bundeswehr, insbesondere jenen mit Erfahrungen im Afghanistan-Einsatz,  halten manche einen eigenen jährlichen Gedenktag am 2. April für eher geeignet, zur Erinnerung an das sogenannte „Karfreitagsgefecht“ von Isa Khel. Denn an jenem Tag im Jahr 2010 gerieten Soldaten des Fallschirmjägerbataillons 373 aus Seedorf während ihres Einsatzes in ein Gefecht mit radikal-islamischen Taliban. Dabei fielen drei Fallschirmjäger. Bei diesem Karfreitagsgefecht waren erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg deutsche Soldaten mit eigenen Verlusten beteiligt.

Aber was versteht man in Deutschland unter einem Veteranen? Die ehemalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte 2018 davon eine klare Vorstellung. Damals verkündete sie, daß „alle Veteranen eint, ob sie in Auslandseinsätzen, im Kalten Krieg oder im Grundbetrieb gedient haben, daß sie sich in der Uniform der Bundeswehr für Frieden und Freiheit eingesetzt haben“. Also alle. Das wären etwa elf Millionen Betroffene. „Wenn alle ehemaligen Soldaten geehrt werden sollen, wird der Veteranenbegriff entwertet. Dann wäre ich gegen einen solchen besonderen Tag. Dazu gibt es den Tag der Bundeswehr“, kritisierte ihr Vorgänger de Maizière kürzlich in der neu aufgeflammten Diskussion. 

Der Union geht es in ihrem aktuellen Antrag zufolge auch darum, in der Gesellschaft „Verständnis und Bewußtsein für die Herausforderungen, Entbehrungen und Opfer, die mit dem Militärdienst verbunden sind“, zu fördern. Deshalb sollen Informations- und Bildungskampagnen die öffentlich gezeigte Solidarität flankieren. Zudem solle mit einem gesonderten Gedenktag „die gesellschaftliche Teilhabe von körperlich und/oder seelisch beeinträchtigten Veteranen“ gestärkt werden. 

Indes warf während der Bundestagsdebatte der AfD-Abgeordnete Hannes Gnauck der Union „Heuchelei“ vor. Sie habe in ihrem „Schaufensterantrag“ bloß „sämtliche Forderungen aufgelistet, die wir als AfD seit Jahren äußern und denen Sie natürlich nie zugestimmt haben“, meinte er in Richtung der Abgeordneten von CDU und CSU. Zudem hätten sie darauf verzichtet, „konkrete Maßnahmen oder ein ausgefeiltes Konzept“ zu formulieren. Obwohl die Union die Mehrzahl deutscher Verteidigungsminister gestellt habe, gebe es „bis heute keine Einrichtung für Veteranen wie beispielsweise in den USA, keine speziellen Krankenhäuser oder Reintegrationskonzepte für von Traumatisierungen Betroffene“, empörte sich der frühere Bundeswehr-Feldwebel. 

Wenn man sich mit Bundeswehrangehörigen darüber unterhält, was ihnen wirklich gut täte, ist oft die Rede von „stinknormaler Anerkennung im Alltag“. Dazu brauche es nichts Besonderes, keine Paraden, keine Denkmäler, keine Festrede vom Bundespräsidenten. Ein Soldat, heißt es dann, freue sich am meisten über kleine Gesten. Zum Beispiel, wenn er in Uniform nach Dienstschluß einkaufen geht und Mitbürger sagen würden: „Danke für Ihren Dienst!“