© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/23 / 29. September 2023

Ländersache: Baden-Württemberg
Alles außer Harmonie
Christian Vollradt

Am Ende konnte er dem Druck aus den eigenen Reihen nicht mehr standhalten. Und so verkündete Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl am Montag, er werde auf dem im November anstehenden Landesparteitag  nicht erneut für den CDU-Landesvorsitz kandidieren. Stattdessen schlug er Fraktionschef Manuel Hagel als seinen Nachfolger an der Spitze der Südwest-Union vor. 

Damit hißte der 63jährige die weiße Fahne und beerdigte seine gerüchteweise durchaus noch vorhandenen Ambitionen, die Partei weiter zu führen. Garniert hat er das mit der üblichen anlaßbezogenen Parteiprosa: „Ich trete beiseite und arbeite in der Mannschaft weiter.“ Er wolle den „Verjüngungsprozeß ohne Streit“ fortsetzen, und habe deshalb „souverän“ nach „liebevollen Gesprächen“ entschieden, nicht mehr anzutreten. Man muß kein Insider sein, um zu wissen: genau das Gegenteil ist der Fall. Keine Spur von Souveränität und Liebe.

Spätestens seit der Polizei-Affäre (JF 26/23) galt der Innenminister in den eigenen Reihen als schwer angeschlagen. In der Fraktion gärte es schon länger. Das bekam auch Hagel zu spüren, der bei der Wahl zum Fraktionsvorsitzenden acht Nein-Stimmen kassierte. Der rückte daraufhin mehr und mehr von seinem früheren Förderer ab, in dem viele Christdemokraten vorrangig einen politischen Erfüllungsgehilfen der Grünen sehen. Daß das Verhältnis des Vize-Ministerpräsidenten zu Landesvater Winfried Kretschmann besser ist als zu manchem Parteifreund, ist ein offenes Geheimnis. 

Strobl habe sich „wie ein Klimakleber an den Landesvorsitz“ geheftet, während die „Fuchsschwanzsäge an seinem Stuhl schon angelegt“ war. Das schrieb nicht etwa ein Journalist oder Oppositionspolitiker, sondern der Stuttgarter CDU-Landtagsabgeordnete Reinhard Löffler. Der machte aus seinem Verdruß über die politische Zwangsehe mit den Grünen nie ein Hehl.  

Daß auch der 36jährige Hagel auf Abstand zum Koalitionspartner geht, blieb nicht verborgen. Getrübt wird die Harmonie durch die aktuellen Vorstöße der CDU in Sachen Migrationspolitik. So hat die Landtagsfraktion gerade einen Zwölf-Punkte-Plan beschlossen, der der JUNGEN FREIHEIT vorliegt. Die darin enthaltenen Forderungen sollen von den zuständigen Ressorts der Landesregierung rechtlich geprüft werden, um dann in eine Bundesratsinitiative des Landes zu münden. Gefordert wird von der CDU-Landtagsfraktion unter anderem die zwingende Abschiebung bei Verurteilungen zu Freiheitsstrafen, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden können und eine Umstellung von Geld- auf Sachleistungen für Ausreisepflichtige.

Und in einer weiteren Frage rückt der designierte Nachfolger von einer (angeblichen) Zusage des Noch-Parteichefs Strobl ab. Hagel machte bereits Anfang des Monats klar, daß seine Leute in dieser Legislaturperiode keinen anderen Grünen zum Ministerpräsidenten wählen würden. Dabei wünschen sich bei den Grünen einige, der mittlerweile 75 Jahre alte Kretschmann würde rechtzeitig vor Ende der Legislaturperiode sein Amt in jüngere Hände übergeben, um so seinem Nachfolger einen Wahlkampf aus dem Amt heraus zu ermöglichen.