© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 40/23 / 29. September 2023

Neue „Mitte“-Studie der Ebert-Stiftung
Sind wir bald alle rechtsextrem?
Werner J. Patzelt

Gemäß der neuesten „Mitte-Studie“ haben 8,3 Prozent der Deutschen ein „rechtsextremes“ Weltbild. Das sind wesentlich mehr als früher. Ist der „Kampf gegen Rechts“ gescheitert?

Die grundsätzliche Methodik dieser Studie ist einwandfrei. Die Indikatorfragen für Rechtsextremismus sind das aber nicht allesamt. Das erkennt man beim Vergleich der Antworten danach, wo sich die Befragten zwischen „links“ und „rechts“ verorten. Ganz „rechts“ nannten sich zwei Prozent der gut 2.000 Befragten, ganz „links“ vier Prozent. Von den „ganz Rechten“ hatten 38,5 Prozent gemäß den übrigen Befunden ein „manifest rechtsextremes Weltbild“, von den „ganz Linken“ aber auch 12,2 Prozent. Gibt es in Deutschland wohl wirklich so viele „rechtsextreme Linkradikale“? 

Irgend etwas wird da nicht stimmen – entweder nicht am Selbstbild von Linken, oder nicht an den Fragen, mit denen man Rechtsextremismus feststellt. So ist es auch, nämlich bei den Fragen zum grundsätzlichen Sinn einer Diktatur, zum Nationalgefühl, zur Zuwanderung. Allem Anschein nach haben sich für viele der Klang und das politische Umfeld dieser Aussagen im Lauf der Jahre merklich verändert. Dann aber drücken sie nicht mehr ausschließlich Rechtsextremismus aus. Also wäre es wünschenswert, die entsprechenden Befragungsmodelle neu zu justieren.






Prof. Dr. Werner J. Patzelt ist emeritierter Ordinarius für Politikwissenschaft an der TU Dresden.