© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/23 / 22. September 2023

Frisch gepreßt

Tocqueville. Die Hochzeit der deutschen Tocqueville-Rezeption lag in den 1950ern. Da wurde der Prophet und Analytiker des Massenzeitalters vor allem zum Kronzeugen gegen totalitäre „Volksdemokratien“ sowjetischer und chinesischer Machart in Stellung gebracht. Daß der liberalkonservative Aristokrat Alexis de Tocqueville (1805–1859)  in seinen beiden klassischen Werken „Über die Demokratie in Amerika“ und „Der alte Staat und die Revolution“ sich aber eigentlich dem tyrannischen Potential und den pädagogischen Zwangsvorstellungen liberaler westlicher Demokratien widmet, ist dagegen oft übersehen worden. Seine Vorhersage eines wahrscheinlichen Übergangs von der Demokratie zur Postdemokratie, die das von seinem Eigentum „befreite“ Individuum, den ortlosen Einzelnen in der fremdbestimmten Masse auflöse, die die „Kette der Zeiten“ zerschneidet, um den Menschen aus überlieferten Ordnungen herauszulösen, gewinnt erst angesichts globalistischer Visionen von der „Großen Transformation“ der westlichen Industriegesellschaften an erstaunlicher Aktualität. Es ist daher sehr verdienstvoll, wenn nun eine kleine Auswahl aus seinen Hauptschriften mit der Gedankenwelt des Mannes vertraut macht, den Wilhelm Dil-they als „unter allen Analytikern der politischen Welt für den größten seit Aristoteles und Machiavelli“ pries. (wm)

Pierre Didonne (Hrsg.): Alexis de Tocqueville. Die Tyrannei der Mehrheit.Karolinger Verlag, Wien 2023, gebunden, 139 Seiten, 22 Euro





Hirte und Wölfe. Der Synodale Weg sorgt nicht nur in Deutschland, sondern weltweit für Disput innerhalb der katholischen Kirche. In ihrem neuesten Buch rechnet die christlich-konservative Publizistin Gabriele Kuby mit den Hauptideen der kirchlichen Reforminitiative ab und wirft den Bischöfen Feigheit vor lauttarken Minderheiten vor. Nicht die Lehre der Kirche, sondern die Übernahme einer sexualrevolutionären Agenda der Feinde der Kirche und die Abkehr von Gott seien die Probleme. Ein Weg der Reinigung würde auch sexuellen Mißbrauch verhindern. In ihrer Argumentation geht Kuby allerdings auch über theologische Ansätze hinaus: Kuby prangert „homosexuelle Netzwerke und Seilschaften“ innerhalb des Klerus an und verteidigt die in der Kritik stehenden Konversionstherapien von Homosexuellen. Weniger Kontroversen dürfte ihre Kritik an den Methoden und Verfehlungen der Verfechter des Synodalen Weges sowie am mangelnden Einsatz für vernachlässigte Zielgruppen wie Ehe und Familie zählen. Hoffnungsvoll beoachtet Kuby das Erstarken immer neuer christlicher Initiativen mit ihrem Engagement abseits der Amtskirchenpolitik. (kuk)

Gabriele Kuby: Fürchte dich nicht du kleine Herde: Wenn die Hirten mit den Wölfen tanzen. Fe-Medien­verlag, Kisslegg 2023, ­broschiert, 100 Seiten, 8,95 Euro